Ukraine und die Folgen

Historiker: „Tiefer Einschnitt der Weltgeschichte“

Ausland
10.03.2022 12:32

Der deutsche Historiker Andreas Wirsching sieht im Krieg in der Ukraine einen „tiefen Einschnitt der Weltgeschichte“. Der Angriff Russlands bringe „das erste Mal seit 1945 den Krieg als Überfall eines souveränen Staates zurück nach Europa“, sagt der Direktor des Instituts für Zeitgeschichte München. „Damit wird die Sicherheitsarchitektur weltweit erschüttert.“ Nach dieser Zäsur werde es kein Zurück zur Globalisierung geben.

Europa müsse sich auf „weitere Störungen des internationalen Handels, wirtschaftliche und finanzielle Unsicherheit“ einstellen - und auf Millionen Flüchtlinge. Die Zukunft werde „weniger rosig aussehen als unsere jüngere Vergangenheit“, meint Wirsching, Inhaber des Lehrstuhls für Neueste Geschichte in München, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

„Es wird keinen einfachen Weg zurück geben“
„Deutschland war mit seiner Exportstärke einer der großen Profiteure der Globalisierung und ihrer weltweit offenen Grenzen“, sagt der Historiker. Die Kehrseite liege im Anwachsen direkter und indirekter Marktabhängigkeiten. „Sie wurden teilweise schon durch die Pandemie sichtbar, die bekanntlich schwere Lücken in die globalen Lieferketten gerissen hat. Aufgrund des russischen Krieges gegen die Ukraine droht nun das Gespenst einer Energiekrise. Und auch künftig wird es keinen einfachen Weg zurück geben.“

Der deutsche Historiker Andreas Wirsching (Bild: AFP PHOTO/ODD ANDERSEN)
Der deutsche Historiker Andreas Wirsching

„Schlimme Erinnerungen an die 30er-Jahre“
Der vom russischen Präsidenten Wladimir Putin vom Zaun gebrochene Krieg habe „die Friedensordnung von 1990 definitiv aufgekündigt“. „Mit seinem Angriffskrieg evoziert Putin schlimme Erinnerungen an die 30er-Jahre. 1938/39 überließen die Westmächte die hilflose Tschechoslowakei ihrem Schicksal“ - die ersten Zeichen für einen großen europäischen Krieg.

Lichtblick: Westen „weitgehend geschlossen“
2022 mache aber „zumindest etwas Mut, dass Putins Attacke auf einen weitgehend geschlossenen Westen trifft“. In der Vergangenheit habe sich dieser „äußerlich zu schwach und im Inneren zu uneins präsentiert, um großen Respekt einzuflößen. Man denke nur an die Rückzüge der Amerikaner in Afghanistan und vor allem in Syrien.“ Außerdem habe die Corona-Krise „die offenen westlichen Gesellschaften besonders hart getroffen, ihre Wirtschafts- und Finanzkraft geschwächt und wichtige Zeit für dringende Reformen gekostet“, so der Historiker wenig ermutigend.

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