Es ist ein Paukenschlag: Seit Mittwoch steht die Papierproduktion bei Norske Skog in Bruck still. Grund sind die extrem hohen Gaspreise. Weitere Betreiben könnten folgen, die Lage ändert sich laut Industriellenvereinigung stündlich. Ein kurzfristiger Umstieg auf andere Energiequellen ist kaum möglich.
„Stellen Sie sich vor, Sie zahlen an der Tankstelle plötzlich 20 Euro für einen Liter Diesel", zieht Gert Pfleger, Sprecher von Norske Skog in Bruck, einen Vergleich. In der Papierfabrik mit 450 Mitarbeitern hat man angesichts der Preisrallye bei Gas nun die Stopptaste drückt: Die Produktion steht seit Mittwochabend still.
Pfleger: „Die Preise haben sich verzehnfacht im Vergleich zum Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre.“ Die Steigerungen begannen Mitte des Vorjahres, in den vergangenen Tagen war die Entwicklung drastisch.
Keine Kündigung, keine Kurzarbeit
Dennoch wirft man im Brucker Leitbetrieb nicht die Nerven weg. Es gibt keine Kündigung und nicht einmal Kurzarbeit: „Wir ersuchen die Mitarbeiter, Urlaub abzubauen. Dazu gibt es Instandhaltungsarbeiten, auch der Umbau unserer Papiermaschine läuft ganz normal weiter“, sagt Pfleger.
Und es zeichnet sich Licht am Ende des Tunnels ab: Anfang April wird ein eigenes Kraftwerk in Bruck in Betrieb gehen. Reststoffe aus der Region werden dort verbrannt, um Energie zu erzeugen. Der Bedarf an russischem Erdgas soll dadurch deutlich zurückgehen.
An den Fabriken hängt Fernwärme-Versorgung
Bei der Papierfabrik Sappi in Gratkorn steht ein Stillstand der Produktion nicht bevor, sagt Geschäftsführer Max Oberhumer zur „Krone“. Noch mehr Sorgen als die Preise bereitet ihm derzeit die Verfügbarkeit von Gas. Wenn Lieferungen ausbleiben und Reserven zu Ende gehen, wird ja bei der Industrie zuerst rationiert. „Man darf aber nicht vergessen, dass viele Betriebe Fernwärme produzieren, wir etwa für die Stadt Graz“, betont Oberhumer.
Auch bei Sappi geht gerade ein Projekt ins Finale, mit dem man unabhängiger von fossiler Energie wird: Ein Kessel wird von Kohle auf eine Mischung aus Biomasse und Gas umgestellt.
Wir sind energetischer Selbstversorger. Falls der Gashahn abgedreht wird, trifft das aber auch uns.
Kurt Maier, Vorstandsvorsitzender der Heinzel Gruppe (Zellstoff Pöls)
Unternehmen fehlt die Planungssicherheit
Etwas entspannter ist die Situation in der Zellstofffabrik Pöls. „Bei uns kann die gesamte Energie aus dem Zellstoffprozess selbst gewonnen werden“, erklärt Kurt Maier, Vorstandsvorsitzender vom Eigentümer Heinzel. Die überschüssige Energie wird in das öffentliche Netz eingespeist. Doch auch in Pöls ist man nicht unabhängig von Gas, man braucht es für die Rückgewinnung von Chemikalien.
Krisenstimmung herrscht in der Industriellenvereinigung: „Hält die Situation an, ist davon auszugehen, dass mehrere energieintensive Betriebe vor der Entscheidung stehen, ob sie die Produktionen aufrechterhalten können“, sagt Präsident Stefan Stolitzka. Die Lage werde derzeit fast stündlich neu bewertet. „Was momentan fehlt, ist Planungssicherheit. Selbst das Fahren auf Sicht gelingt schwer.“ Neben den enormen Energiekosten machen auch Ausfälle in den Lieferketten Sorgen.
Der Staat profitiert derzeit extrem durch zusätzliche Steuereinnahmen von den hohen Energiepreisen.
Stefan Stolitzka, Präsident der Industriellenvereinigung
Forderungen an die Bundesregierung
Kurzfristig ist es unmöglich, auf alternative Energiequellen umzusteigen. Mittelfristig muss das aber der Weg sein. Stolitzka fordert daher wieder einmal schnellere Genehmigungsverfahren bei den Behörden.
In dieses Horn stößt auch Wirtschaftslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl (ÖVP). Vom Bund wolle man steuerliche Erleichterungen auf Energie, die rasche Umsetzung des angekündigten Erneuerbare-Wärme-Gesetzes durch das Klimaschutz-Ministerium sowie ein Hilfspaket für energieintensive Unternehmen fordern. Diese Forderung werde mit anderen Bundesländern zusammen ausgearbeitet. Zudem habe Eibinger-Miedl gemeinsam mit Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) und dessen Stellvertreter Anton Lang (SPÖ) die Bundesregierung in einem Brief aufgefordert, dringend die Emissionshandels-Richtlinie sowie die EU-Beihilfe-Leitlinien umzusetzen.
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