„Gauleiterin im Rock“
Melitopol erobert – Moskau setzt Statthalterin ein
Erstmals hat Russland in einem eroberten Gebiet eine eigene Statthalterin eingesetzt. Die prorussische Abgeordnete Halyna Daniltschenko rief die Einwohner der südukrainischen Stadt Melitopol auf, sich „an die neue Realität“ anzupassen. Zugleich verlangte sie, die Einwohner sollten nicht mehr gegen die russischen Besatzungstruppen demonstrieren. Zuvor war der Bürgermeister entführt worden. Hunderte Menschen forderten lautstark die Freilassung ihres gewählten Stadtoberhaupts (siehe Video oben).
„Trotz unserer Anstrengungen gibt es noch immer Leute in der Stadt, die versuchen, die Situation zu destabilisieren und euch zu extremistischen Handlungen auffordern“, sagte Daniltschenko in einer Videobotschaft (siehe unten). Sie wolle ein „Komitee der Volksdeputierten“ schaffen, das die Stadt mit knapp 150.000 Einwohnern leitet.
Russland hatte angekündigt, die Ukraine „entnazifizieren“ zu wollen. Der Kreml behauptet, die Führung in Kiew werde von „Nazis“ kontrolliert. Diesem Vorwurf fehlt jegliche Grundlage, zudem ist er absurd: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat jüdische Wurzeln.
„Gauleiterin im Rock“
Örtliche Medien bezeichneten Daniltschenko am Sonntag in Anlehnung an die NS-Besatzungstruppen im Zweiten Weltkrieg als „Gauleiterin im Rock“. Selenskyj drohte der russischen Statthalterin mit dem Tod. Wer sich von Angeboten der russischen Besatzer in Versuchung geführt sehe, unterschreibe damit sein eigenes Urteil, sagte er in einer in der Nacht auf Sonntag veröffentlichten Videobotschaft. „Das Urteil lautet, mehr als 12.000 Besatzern zu folgen, die nicht rechtzeitig verstehen konnten, warum die Ukraine nicht angegriffen werden sollte.“
Zuletzt hieß es von ukrainischer Seite, dass mehr als 12.000 russische Soldaten in dem Krieg in der Ukraine getötet worden seien. Diese Angaben sind nicht unabhängig zu überprüfen.
Freilassung gefordert, zweiter Bürgermeister verschleppt
Melitopols Bürgermeister Iwan Fedorow war zuvor nach Kiewer Angaben von russischen Kämpfern verschleppt worden. Neben den Einwohnern der Stadt forderte auch Präsident Selenskyj Fedorows Freilassung. Am Sonntag wurde zudem bekannt, dass auch der Bürgermeister der ukrainischen Stadt Dniprorudne, Jewhen Serhioiwytsch Matwejew, verschleppt worden sein soll.
Russland will Besatzung absichern
Auch in der eroberten südukrainischen Stadt Cherson gibt es offensichtlich Bestrebungen, die russische Besatzung abzusichern. Wie Selenskyj sagte, strebt Russland die Bildung einer „Volksrepublik Cherson“ an - demnach wäre ein ähnliches Modell wie in den als unabhängig anerkannten „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk denkbar.
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