Die Lehrlinge sind am Limit, zeigt eine Studie. Doch wie geht es den Facharbeitern von morgen wirklich? Drei Betroffene haben der „Krone“ von ihren Ängsten und Sorgen erzählt.
Zwei Jahre Pandemie haben auch bei den Lehrlingen deutliche Spuren hinterlassen. Die Gewerkschaftsjugend (ÖGJ) hat gemeinsam mit der MedUni Wien und der Donau-Uni Krems insgesamt 1442 Lehrlinge zur psychischen Gesundheit in Zeiten von Corona befragt: Die Ergebnisse sind besorgniserregend!
Ich bin jetzt im dritten Lehrjahr meiner Lehre als Telematiker bei den ÖBB, bin also fast fertig. Die Lockdowns und das Arbeiten im Homeoffice waren belastend, weil wir daheim verloren gewirkt haben. Die Berufsschulen waren außerdem überfordert und das meine ich nicht einmal als Vorwurf, sondern sie hatten eben auch mit der Situation zu kämpfen. Ich würde mir mehr Respekt wünsche, aber auf keinen Fall Mitleid.
Lehrling Mostafa R.
„Lehrlinge wurden mit Sorgen alleingelassen“
48,3 Prozent aller Befragten weisen Symptome von Depressionen auf, 35,4 Prozent leiden an Angstzuständen, 50,6 Prozent an Essstörungen und 27 Prozent an Schlafstörungen. Während Schüler, Studenten, systemrelevante Berufe und Homeoffice-Regelungen von sämtlichen Maßnahmen der Bundesregierung berücksichtigt wurden, hat man die Situation der Lehrlinge kaum bis manchmal gar nicht erwähnt. Richard Tiefenbacher, Vorsitzender der Gewerkschaftsjugend, klagt im Gespräch mit der „Krone“ an: „Die Lehrlinge wurden in der Pandemie mit ihren Sorgen und Nöten von der Politik alleine gelassen.“
Mir persönlich geht es mental zwar gerade gut, dafür macht mir aber die finanzielle Situation und die steigenden Kosten zu schaffen. Ich habe nämlich bereits meine eigene Wohnung. Irgendwie geht es sich aber immer aus. Auch mein Arbeitgeber, die Stadt Wien, ist sehr unterstützend. Die Situation in der Berufsschule ist sehr angespannt. Nebenbei mache ich die Matura. Mathe habe ich schon geschafft. Als nächstes ist jetzt das Fach Deutsch dran.
Lehrling Sarah P.
Ausbildungsbetriebe waren geschlossen
Auch die harten Lockdowns sowie die Schließung von Schulen und Ausbildungsbetrieben hätten negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der arbeitenden Jugendlichen gehabt. Berufsschulen seien in den Covid-Verordnungen des Bildungsministeriums zumeist gar nicht berücksichtigt worden. Mostafa R. (20), Lehrling im dritten Lehrjahr, sagt zur Situation in den Berufsschulen, dass er das Gefühl habe, „dass der Staat die Schulen einfach alleine stehen gelassen hat“. Lorenzo Agboge von der Berufsschulvereinigung bestätigt die Zustände. „Bei der Digitalisierung hinken die Berufsschulen oft noch hinterher. Wenn jetzt nicht kräftig in Lehrlinge investiert wird, vernachlässigt man damit die Facharbeiter von morgen.“
Da meine Suche nach einer geeigneten Lehrstelle leider erfolglos geblieben ist, arbeite ich in einer überbetrieblichen Lehrwerkstätte als Köchin und bin gerade im zweiten Lehrjahr. Corona hat alles durcheinandergewirbelt. Vor allem der Theorieunterricht bei der Fleischzubereitung war von zu Hause aus sehr schwer. Manche Sachen habe ich einfach nicht begriffen. Wegen der Lehrabschlussprüfung mache ich mir jetzt schon ein paar Sorgen.
Lehrling Ina K.
Gewerkschaftsjugend schlägt Alarm
Tiefenbacher fordert weitere Maßnahmen. „Die Politik kann und muss auch mehr leisten. Es benötigt eine Ausweitung des Schulstartgeldes, eine Wohnbeihilfen-erhöhung und eine Erhöhung der Lehrlingsgehälter!“ Trotz aller Umstände absolvierten letztes Jahr 71 Prozent der Lehrlinge ihre Abschlussprüfung erfolgreich.
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