Die „Krone“ vor Ort
Lemberg: Der Tod kam im Morgengrauen
Putins Krieg dringt jetzt in den Westen der Ukraine vor - acht Raketen sorgten auf einer Militärbasis nahe Lemberg für ein Blutbad. Die „Krone“ berichtet vor Ort.
Lemberg, Samstagnachmittag. Der Frühling schaut vorbei, die Menschen genießen die zarten Sonnenstrahlen. Am Freiheitsboulevard spielen junge Männer Geige und Cello – es klingt nach Friedensmusik. Der Krieg scheint weit weg zu sein.
Plötzlich kam der Krieg näher
Lemberg, Sonntagmorgen. Sirenenalarm durchdringt mehrmals die Stadt, der Krieg ist wieder ein Stück näher gekommen. 30 Kilometer nordwestlich schlagen fast zeitgleich acht russische Raketen in einem Militärstützpunkt ein. Das Internationale Zentrum für Friedenssicherung und Sicherheit ist von Polen nur 20 Kilometer entfernt.
Vor der Einfahrt zum Riesenareal inmitten eines Föhrenwalds liegen Soldaten in Schützengräben auf der Lauer, drinnen stehen Fliegerabwehrraketen verloren herum. Auch sie waren letztlich gegen den Tod im Morgengrauen machtlos.
Die blutige Bilanz: 35 Tote und 137 Verletzte
Die Horror-Bilanz des Putin-Terrors: 35 Tote, 137 Verletzte! Auf Fotos zeigt sich ein Bild der Verwüstung: Zerstörte Gebäude, tiefe Krater, Rauchsäulen steigen gegen den Himmel.
Dutzende Rettungswägen mit Sirenen brettern durch die abgelegene Gegend, sie bringen die Verletzten zur Erstversorgung ins Krankenhaus der Stadt Novojaworisk. In einem angrenzenden Waldstück neben dem Spital hockt ein junger Soldat. Er heißt Elia und zieht nervös an einer Zigarette. Die linke Hand ist bandagiert, der Kopf ebenfalls, der Verband hat sich teilweise rot gefärbt.
„Ich bin kein Held, ich möchte nur meine Heimat beschützen“
„Wir haben noch geschlafen, als die Raketen gekommen sind“, erzählt Elia. Der 26-Jährige hatte Glück im Unglück. „Nur Fleischwunden, gebrochene Finger. Ich werde wieder zurück auf den Stützpunkt gehen.“ Aus diesem Holz sind Helden geschnitzt. „Ich bin keiner, möchte nur meine Heimat beschützen.“
„Der Krieg ist jetzt auch bei uns angekommen“
Während vor dem kleinen Provinzkrankenhaus Rettungswagen Schlange stehen, um verletzte Soldaten nach der Erstversorgung in andere Spitäler zu bringen, steht Oksana kreidebleich an der Ausfahrt. „Ich kann das nicht glauben, stehe noch unter Schock. Die Explosionen haben uns aus dem Schlaf gerissen – der Krieg ist jetzt auch bei uns angekommen“, sagt die 34-Jährige mit feuchten Augen.
Wenige Stunden nach den Einschlägen lädt Volodymyr Matselyuh zur Pressekonferenz. „Wir sind sehr eng mit der Militärbasis verbunden, viele Menschen aus unserer Stadt arbeiten dort“, berichtet der Bürgermeister von Novojaworisk und richtet dem Kreml-Despoten aus: „Putin kann Bomben auf uns werfen, doch unser Land wird er nie bekommen.“ Mehr als 600 Flüchtlinge hat seine Stadt zuletzt aufgenommen, 400 davon sind Kinder. Keines ist unter den Opfern. Immerhin eine gute Nachricht an diesem schwarzen Sonntag.
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