Unternehmen und öffentliche Einrichtungen in Deutschland sind nach Einschätzung eines führenden Sicherheitsexperten gegen einen Angriff aus dem Cyberraum schlechter gewappnet als die Ukraine. In Deutschland, Großbritannien oder auch in Skandinavien hätten die Sicherheitsfachleute bisher nur theoretische Bedrohungen abwehren müssen, sagte Mikko Hyppönen, Chef des finnischen IT-Sicherheitsunternehmens F-Secure.
Die Ukraine befinde sich dagegen bereits seit Jahren im Cyberkrieg mit Russland. „Sie mussten sich immer wieder gegen echte Angriffe zur Wehr setzen. Die Ukraine ist das beste Land in Europa, was die Verteidigung ihrer Netze gegen Cyberangriffe angeht.“
Je vernetzter, desto angreifbarer
Je technisch fortgeschrittener eine Nation sei, desto leichter könne man sie mit Online-Angriffen in die Knie zwingen, sagte Hyppönen der Deutschen Presse-Agentur. „Deutschland ist ein Paradebeispiel dafür. Es ist ein Hochtechnologieland mit hoch entwickelten und sehr großen industriellen Kapazitäten.“ Jede Fabrik und jedes Kraftwerk in Deutschland werde von Computern gesteuert, auch Lebensmittelbetriebe. „Alles ist online und miteinander verbunden.“ Das Internet sei dafür entworfen worden, eine kritische Infrastruktur zu steuern.
Für Regierungen wie das Bundeskabinett sei es schwierig, Infrastrukturen nachträglich zu sichern, sagte Hyppönen. „Sehr große Teile davon gehören nicht einmal der Bundesrepublik, sondern privaten Unternehmen. Und nun ist es die Aufgabe der Regierung und des Militärs, die Unternehmen irgendwie zu motivieren und ihnen zu erklären, dass sie beträchtliche Summen ausgeben sollten, um die Systeme gegen potenzielle Angriffe von ausländischen Regierungen zu schützen.“
Es erfordert eine Menge Planung, eine Menge Führung und eine Menge Geld.
Mikko Hyppönen, F-Secure
Die Umsetzung sei nicht einfach. „Es erfordert eine Menge Planung, eine Menge Führung und eine Menge Geld.“ Das größte Problem sei derzeit jedoch, geeignetes Fachpersonal zu finden.
Mehr Cyberangriffe auf Versorgungsbetriebe
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft wies darauf hin, dass Energieunternehmen in Deutschland zuletzt mehr Cyberangriffe verzeichnet haben. Es habe aber keine Gefährdung der Versorgungssicherheit bestanden, sagte Verbandssprecher Jan Ulland der Tageszeitung „Welt“.
Der Trend bei Attacken gehe zu Ransomware- und Phishing-Angriffen. Allerdings sei bisher keiner der Angriffe erfolgreich gewesen. „Einen direkten Zusammenhang dieser Entwicklung mit den Geschehnissen in der Ukraine können wir nicht erkennen“, sagte Ulland.
Russische Hacker distanzieren sich vom Krieg
Hyppönen wies darauf hin, dass russische Ransomware-Banden wie Lockbit sich aus finanziellen Gründen inzwischen davon distanzierten, Teil der Kriegsführung zu sei. Ihnen gehe es nur darum, weiter Geld aus den Cyberversicherungen westlicher Unternehmen nach Erpressungsangriffen zu erhalten. Die Versicherungen müssten aber in der Regel nicht zahlen, wenn der Schaden auf höhere Gewalt oder Krieg zurückzuführen sei. „Lockbit hat erkannt, dass die Versicherungsgesellschaften nicht mehr zahlen, wenn sie sagen, dass sie Teil des Krieges sind.“ Den Kriminellen gehe es aber vor allem um das Geld.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.