Das ukrainische Verteidigungsministerium hat offenbar damit begonnen, die Gesichtserkennungstechnologie des umstrittenen US-Unternehmens Clearview AI einzusetzen. Laut dessen Firmengründer soll die Software helfen, russische Angreifer aufzuspüren, Fehlinformationen zu bekämpfen und die Toten zu identifizieren.
„Ich freue mich zu bestätigen, dass Clearview AI seine bahnbrechende Gesichtserkennungstechnologie ukrainischen Beamten zur Verfügung gestellt hat, damit sie diese während der Krise, mit der sie konfrontiert sind, nutzen können“, zitierte die britische BBC den Clearview-AI-Gründer und -Chef Hoan Ton-That.
In einem Schreiben an die ukrainische Regierung, über das Reuters zuerst berichtete, hatte Ton-That kostenlos die Dienste seiner Software angeboten und darauf verwiesen, dass deren Datenbank größtenteils Gesichter von russischen Social-Media-Seiten enthalte - allen voran Vkontake (VK), das oftmals als das „Facebook Russlands“ bezeichnet wird. Über zwei Milliarden Bilder sollen demnach von dort stammen.
Ton-That zufolge könnten sie nützlich sein, um „Eindringlinge“ sowie Leichen zu identifizieren, Fehlinformationen zu bekämpfen oder Familienzusammenführungen von Personen ohne Papiere zu erleichtern. Dem Clearview-AI-Gründer zufolge soll die Technologie bereits seit Samstag in der Ukraine im Einsatz sein. Offiziell bestätigt worden sei dies vom dortigen Verteidigungsministerium nicht, so die BBC.
Illegale Massenüberwachung
Clearview AI war einer breiten Öffentlichkeit im Jänner 2020 durch einen Artikel der „New York Times“ bekannt geworden. Daraus ging hervor, dass das Unternehmen in den USA bereits mit Behörden wie dem FBI und dem Heimatschutzministerium zusammenarbeitet. Hoan Ton-That räumte damals gegenüber der Zeitung ein, dass Clearview mit dem Sammeln von Nutzerfotos gegen die Nutzungsbedingungen von Facebook und anderen Online-Netzwerken verstößt.
Erst im vergangenen Mai hatten Datenschschutzorganisationen in mehreren europäischen Ländern, darunter auch Österreich, Beschwerde gegen das auf Gesichtserkennung spezialisierte Unternehmen eingelegt. Die Verwendung der Bilder „geht weit über das hinaus, was wir als Online-Nutzer jemals erwarten könnten“, erklärte der Rechtsexperte von Privacy International, Ioannis Kouvakas. „Nur weil etwas online ist, ist es nicht automatisch Freiwild, das sich andere auf beliebige Weise aneignen können - das ist weder moralisch noch rechtlich zulässig“, sagte Alan Dahi, Datenschutzjurist der österreichischen Datenschutzorganisation noyb.
Im Februar hatte bereits die kanadische Datenschutzbehörde entschieden, dass die Aktivitäten des Unternehmens nach kanadischem Gesetz „eine Massenüberwachung darstellen und illegal sind“.
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