Geflohener Bewohner:
Waisenkinder in Mariupol „sind in großer Gefahr“
Sowohl Moskau als auch Kiew haben am Samstag die Evakuierung von Tausenden Zivilisten aus den besonders umkämpften Gebieten gemeldet. Damit sind wohl viele Leben gerettet worden, denn die russischen Streitkräfte verstärkten nach Angaben der ukrainischen Regionalregierung vor allem auf die Städte Mykolajiw und Mariupol ihre Angriffe. Mindestens 50 Tote gab es bei einem Luftangriff auf eine Militärkaserne im Mykolajiw. Das Schicksal von 19 Kindern, die in der belagerten ukrainischen Stadt Mariupol seit Wochen in einem Sanatorium festsitzen, hat große Besorgnis ausgelöst.
Die Kinder im Alter von vier bis 17 Jahren, die meisten von ihnen Waisen, seien in „großer Gefahr“, sagte der Augenzeuge Alexej Woloschtschuk nach seiner Flucht aus der Hafenstadt der Nachrichtenagentur AFP. Die Kinder waren vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine in die auf Lungenkrankheiten spezialisierte Klinik gebracht worden. Wegen der Gefechte in der Stadt konnten sie von ihren Vormündern nicht mehr aus der Einrichtung geholt werden.
In Keller Zuflucht gefunden
Woloschtschuk hatte nach eigenen Angaben in der Klinik, in der Verwandte von ihm arbeiteten, Schutz gesucht vor den russischen Angriffen. Inzwischen konnte er in die Stadt Saporischschja fliehen. Nach seinen Angaben leben die Kinder in einem kalten Keller und konnten sich seit mehr als zwei Wochen nicht mehr waschen. In der Nähe der Klinik seien Raketen eingeschlagen.
Woloschtschuk zeigte Fotos, auf denen die zerstörten Fenster des Gebäudes zu sehen sind. „Es gibt keine Heizung, es ist kalt. Eines der Mädchen, etwa acht Jahre alt, zeigte mir eine Wunde im Gesicht. Sie sagte, sie stamme von der Kälte“, sagte er. Die Kinder würden von einem „heldenhaften“ Lungenfacharzt, einem Koch und zwei Krankenschwestern betreut. Polizisten bringen den Kindern demnach Essen. Der Zeuge befürchtet jedoch, dass die Vorräte bald zur Neige gehen könnten.
Die in Genf ansässige Wohltätigkeitsorganisation „Stop TB“ bemühte sich nach eigenen Angaben darum, die Kinder in Sicherheit zu bringen. Nach Angaben von Geschäftsführerin Lucica Ditiu versuchte die Stiftung, die Kinder in andere Länder zu bringen. „Aber das größte Problem ist, sie dort herauszuholen“, fügte sie mit Blick auf die prekäre Lage in Mariupol hinzu.
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„Humanitäre Katastrophe“ in Tschernihiw
Dramatische Nachrichten kamen auch aus der von russischen Truppen eingekesselten 300.000 Einwohner zählenden Stadt Tschernihiw. „Der wahllose Artilleriebeschuss der Wohngebiete dauert an, dabei sterben friedliche Menschen", sagte Bürgermeister Wladislaw Atraschenko nach Angaben der Agentur Unian. Die Stadt erlebe gerade eine humanitäre Katastrophe. „Es gibt keine Stromversorgung, kein Wasser, keine Heizung, die Infrastruktur der Stadt ist vollständig zerstört“, wurde der Bürgermeister zitiert. Auch das Krankenhaus werde wiederholt beschossen, daher sei auch die medizinische Versorgung zusammengebrochen. Zudem sei bisher kein Fluchtkorridor für die Stadt eingerichtet worden.
Ukraines First Lady fordert sichere Fluchtkorridore
Unterdessen bat die Frau des ukrainischen Staatschefs Wolodymyr Selenskyj den Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) um Unterstützung bei der Einrichtung humanitärer Korridore in der Ukraine. „Da wir die Erfahrung des Ökumenischen Rates der Kirchen bei der Bewältigung humanitärer Krisen kennen, bitten wir Sie, der Ukraine und den Ukrainern, die derzeit vor dem Krieg fliehen, zu helfen“, schrieb Olena Selenska nach Angaben der ukrainischen Präsidentschaft in einem Brief an den ÖRK. „Ich bitte Sie insbesondere darum, bei der Organisation echter humanitärer Korridore zu vermitteln“, fügte sie hinzu.
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