"Fairer Prozess"

Mladic muss am Freitag vor UNO-Tribunal erscheinen

Ausland
01.06.2011 15:23
Der jahrelang gesuchte frühere Militärchef der bosnischen Serben, Ratko Mladic, wird Freitag früh um zehn Uhr zum ersten Mal vor den Richtern des UNO-Tribunals für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien erscheinen. "Mladic wird einen fairen Prozess haben, seine Rechte werden geachtet werden", versicherte Tribunals-Chefankläger Serge Brammertz bei einer Pressekonferenz in Den Haag anlässlich der am Dienstag erfolgten Überstellung des Haager Angeklagten.

"Die Festnahme bestätigt, dass niemand damit rechnen kann, unbestraft zu bleiben", sagte Brammertz. Die Festnahme und Auslieferung Mladics seien für die Opfer wichtig, die 16 Jahre lang auf Gerechtigkeit gewartet hätten. Mladic sei während des Bosnien-Kriegs der höchstrangige Offizier der bosnischen Serben gewesen. Er sei für seine Teilnahme und die Teilnahme seiner Truppen am gewaltsamen Vorgehen während des Krieges (1992-1995) angeklagt worden. "Diese Verbrechen haben ganze Nationen zerstört", so Brammertz.

Vor dem Tribunalssenat, der sich aus dem Deutschen Christoph Flügge, dem Niederländer Alphons Orie und dem Südafrikaner Bakone Justice Moloto zusammensetzt, soll sich Mladic beim ersten Erscheinen zur Anklage äußern. Entsprechend den Tribunalsregeln kann er beziehungsweise sein Verteidiger beantragen, dass er dies erst in 30 Tagen tut. Für Letzteres hatte sich vor drei Jahren der frühere Präsident der Serbischen Republik, Radovan Karadzic, entschlossen. Laut der Tribunalspraxis sind die Richter, vor denen sich der Angeklagte zur Anklage zu äußern hat, allerdings nicht auch diejenigen, die den darauffolgenden Prozess führen.

Mladic darf sich Verteidiger aussuchen
Da Mladic derzeit noch keinen Verteidiger hat, wird er sich vor seinem ersten Auftritt vor den Richtern laut Tribunalssprecherin Nerma Jelacic einen Verteidiger aus einer Liste beim Tribunal akkreditierter Anwälte aussuchen können. Es wird erwartet, dass Mladic vor den Richtern auch ein kleines Detail klärt: Es geht um diverse Geburtsdaten, die in der Öffentlichkeit kursieren. Laut der Anklageschrift wurde Mladic am 12. März 1942 in der bosnischen Gemeinde Kalinovik südlich von Sarajevo geboren. Anderen Quellen zufolge soll er jedoch um ein Jahr jünger sein.

Kostenfrage noch nicht geklärt
Wer die Verteidigungskosten übernehmen wird, ist derzeit auch noch unklar. Die serbischen Behörden deuteten in den vergangenen Tagen an, dass sie dafür nicht zuständig seien. Dies dürfte nicht vollkommen stimmen. Der pensionierte General stammt zwar aus Bosnien, besitzt aber auch eine serbische Staatsbürgerschaft und hat seine Pension jahrelang in Serbien bezogen. Mit der Übernahme der Verteidigungskosten werden sich nun die bosnisch-serbischen Behörden befassen müssen.

Wegen Völkermordes und Kriegsverbrechen angeklagt
Der am vergangenen Donnerstag in der Ortschaft Lazarevo bei Zrenjanin nordöstlich von Belgrad festgenommene Mladic war am Dienstagabend in Rotterdam gelandet und in das UNO-Gefängnis gebracht worden, nachdem die serbische Justiz einen Berufungsantrag Mladics Stunden zuvor abgelehnt hatte.

Mladic ist vor dem Haager Tribunal wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnien-Kriegs angeklagt. Er wird vor allem für das Massaker von Srebrenica mit rund 8.000 Toten, die 44 Monate dauernde Belagerung Sarajevos, aber auch die Geiselnahme von 200 UNO-Soldaten im Mai 1995 verantwortlich gemacht. Das Massaker von Srebrenica gilt als das schlimmste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.

Der Tribunals-Chefankläger bestätigte am Mittwoch, dass dem Tribunal eine abgeänderte Anklage gegen Mladic zugestellt worden sei. Statt 15 würden nun elf Anklagepunkte gegen den bosnisch-serbischen Ex-General vorgebracht. Insgesamt umfasse die Anklage nun neben dem zweifachen Vorwurf des Völkermordes auch fünf mutmaßliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit und vier Kriegsverbrechen, sagte Brammertz.

Zusammenlegung mit Karadzic-Prozess "wenig realistisch"
Eine Zusammenlegung des bereits seit eineinhalb Jahren laufenden Prozesses gegen den früheren Präsidenten der Serbischen Republik, Radovan Karadzic, eigentlich dem obersten Chef Mladic', mit dem nun anstehenden Prozess gegen den früheren bosnisch-serbischen Militärchef hält Brammertz derzeit für wenig realistisch.

Brammertz wollte am Mittwoch vorerst keine Prognosen darüber machen, wie lange der Prozess dauern könnte. Dies sei nicht nur wegen des umfangreichen Gegenstandes so, sondern auch deswegen, weil man Mladic gewisse Zeit einräumen müsse, damit er sich auf den Prozess vorbereite.

Fall Mladic sei "weit mehr als nur für die Statistik"
Mit der Festnahme Mladics und seiner Überstellung an das UNO-Tribunal habe sich das Haager Gericht dem Abschluss seines Mandates angenähert, stellte Brammertz fest. Rund 160 Personen wurden angeklagt, ein Angeklagter ist noch flüchtig. Der Prozess im Fall Mladic werde aber "weit mehr als nur für die Statistik" sein, versicherte Brammertz.

Insgesamt umfasse die Anklage neben den Vorwürfen des Völkermords fünf mutmaßliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit und vier Kriegsverbrechen, sagte Brammertz
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