In der schwersten Krise seit Jahrzehnten wurde aus dem deutschen Indie-Musiker Konstantin Gropper plötzlich ein Mensch, der das Positive im Leben entdeckt. „Amen“, das brandneue Album seines Projekts Get Well Soon, kommt in seiner Beharrlichkeit genau zur richtigen Zeit und richtet die Scheinwerfer mal wieder auf die schönen Seiten des Lebens. Wie es zu diesem Wandel kam, erzählt er uns im ausführlichen Gespräch. Am 23. April folgt ein Auftritt im Wiener WUK.
Bei seinem Projekt Get Well Soon konnte Konstantin Gropper schon immer seinen Hang zu Opulenz und Theatralik ausleben. Den politisch-aktivistischen Touch aus seiner Grunge- und Punk-Jugend verknüpft er mit der Liebe zu Künstlern wie David Bowie oder Sir Elton John und lässt dabei gerne mal etwas Bombast durchscheinen, ohne damit ins Kitschige abzudriften. Was den famosen Werken des 39-Jährigen bislang immer gemein war, war eine naturgegebene Negativität, die sich mit der Person dahinter paarte. Selbst ein Album wie „Love“ (2016) kam nicht ohne skeptische Betrachtungsweisen aus - da mutet es fast paradox an, dass die größte Krise der letzten Jahrzehnte bei Gropper zu einer radikalen Denkumkehr führte. „Amen“ ist jetzt freilich kein Li-La-Laune-Werk voll metaphorischer Springschlangen und Clownstänze, aber in Zeiten der Isolation während der Pandemie raufte sich in Gropper ein gewisser Kampfgeist zusammen, der nun deutlich aus den neuen Liedern erklingt.
Ausweg aus dem Weltuntergang
„In Situationen wie derzeit ist ein gewisses Maß an Positivismus sogar überlebenswichtig“, erzählt er uns im entspannten Zoom-Interview, „wir sind förmlich dazu gezwungen zu glauben, dass die Dinge allgemein besser werden, als sie gegenwärtig sind. Ich habe an mir herausgefunden, dass ich Nachrichten positiver sehe und lese. Wo andere den Weltuntergang sehen, eröffnet sich mir immer ein kleiner Ausweg. Das ist dann wohl die Definition eines Optimisten. Ich bin nicht die ganze Zeit happy, aber das Glas ist bei mir tendenziell halbvoll.“ Das Quantum Hoffnung, das sich Gropper für jedes einzelne Subthema auf seinem Album ausgedacht hat, mag er sich manchmal mühsam aufgezwungen haben, doch die wesentlich lebensbejahendere Zugangsweise tut dem Projekt und auch dem Album sehr gut. Der Albumtitel hat nichts mit Religion am Hut, sondern dient als Ausrufezeichen zum Bandnamen.
Wiederkehrend am Album ist die Kernfrage, warum Optimismus in der Gesellschaft fast immer von Religion oder Spiritualität gepachtet wird. „Es muss doch im Leben auch andere Wege geben, als immer nur zu sagen, im Jenseits wird’s dann gut. Man muss auch mit beiden Beinen fest im Leben stehen können, ohne permanent pessimistisch zu sein. Vielleicht will ich das Wort Amen wieder ins Weltliche zurückholen. Das klingt jetzt extrem pathetisch, aber es ist so.“ Musikalisch mäandert Gropper zwischen melancholischen Nachdenkmomenten, oszillierenden Traumwelten und partiell eingesetzten, eruptiven Momenten. „Amen“ versprüht eine umfassende Grandezza und bestätigt den Alleinstellungsstatus des Künstlers. Get Well Soon klingt eben wie nichts sonst und nichts sonst erinnert an Get Well Soon.
Permanent nur Feuer löschen
Eingebettet wird das - wie immer - konzeptionell ausgerichtete Album in eine an Siri erinnernde Computerstimme, das Cover-Artwork ziert kein Grab-, sondern ein Begrenzungsstein. „Dass das Bild ein bisschen an einen Grabstein erinnert, das ist schon richtig. Durch die Farbgebung kriegt es so einen ,Candyland-Gothic-Touch‘“. Eine gewisse Form von Dunkelheit kriegt man auch aus dem positiven Gropper nicht heraus. Wichtiger denn je sind Hoffnung und Glauben an eine Utopie. Ansonsten könne einen die Realität mit ihrer bleischweren Intensität schon auch einmal erschlagen. „Die letzten zehn Jahre waren eine Zeit, in der man sich völlig hilf- und orientierungslos gefühlt hat. Die Geschichte schreibt sich unaufhaltbar fort und wenn man zynisch ist könnte man sagen, der Krieg habe jetzt die Pandemie beendet. Und für den wichtigen Klimaschutz ist gefühlt nie Zeit, weil wir so viele andere Feuer löschen müssen.“
Aus diesem Wulst an Negativität die guten Dinge herauszuziehen, dass war Gropper ein wichtiges Anliegen. Dafür recherchierte er viel und penibel, streifte sich kein schwarzes, sondern ein rosarotes Sakko für die Bandfotos über und adressierte in Liedern wie „A Song Of Myself“ oder „Mantra“ zuerst einmal alle Botschaften an sich selbst. „Die Selbstoptimierung ist an sich sehr egozentrisch und neoliberal. In der Pandemie war dieses Thema allgegenwärtig, denn jeder musste zurückstecken, damit wir gemeinsam durchkommen. Ich behaupte von mir, nicht sehr individualistisch veranlagt zu sein, stellte mir aber trotzdem Fragen wie: Wie viel soll ich für mich selbst tun, damit es mir gutgeht, und wie viel für die Gesellschaft? Wie kommen sich diese Dinge in die Quere?“ Eine Antwort auf die Probleme der Zeit hat natürlich auch Gropper nicht. Er sieht sich als Anbieter. „Ich bin kein Parolenschreiber, aber ich habe meine Themen und Texte, in die gerne jeder eintauchen kann, der will. Für mich ist die Musik in erster Linie eine emotionale Sache. Wenn jemand mehr herauslesen möchte - umso besser.“
Utopische Gedanken
Zu finden gibt es in Groppers Textpreziosen wieder so einiges. Etwa den Song „Richard, Jeff & Elon“ über die drei großen Tech-Giganten. „Hier geht es um die Idee der Utopie. Ich finde es ungemein spannend, dass Menschen, die in unserer kapitalistischen Welt alles erreicht haben, es als konsequenten nächsten Schritt sehen, diese Welt zu verlassen und woandershin aufzubrechen. Das hat einen utopischen Übermenschenkoloniegedanken im Sinne eines Bond-Bösewichts. Zudem ist Bill Gates, der vierte in der Reihe der Superreichen, der, der am meisten angefeindet wird, obwohl er sein Geld von Anfang an am Sinnvollsten einsetzen wollte. Die Botschaft dahinter ist, dass man solchen Menschen gar nicht zutraut, dass sie etwas Nettes im Sinne haben. Man vermutet immer eine Agenda dahinter.“
„Us vs. Evil“ spielt mit dem Gedanken, dass man die Schuld nie bei sich selbst sucht, sondern immer die anderen die Bösen sind. „Natürlich geht es darin um die Verschwörungstheoretiker. Als informierter Mensch denkt man, dass man außen vor ist, aber dass die Leute, die auf der anderen Seite tief drinstecken, dasselbe über uns denken, dass vergessen wir schnell. Dadurch entstehen die Gräben, die nicht mehr leicht zu überbrücken sind.“ „Golden Days“ ist eine Hymne an die Kinder und Jugendlichen, denen in der Pandemie am Übelsten mitgespielt wurde. „Unterm Strich waren und sind sie allen völlig egal. Das ist sehr traurig und das wollte ich mit dem Song thematisieren.“ Doch wie eingangs schon erwähnt - der Optimismus überwiegt. „Ich finde es überwältigend zu sehen, welcher Zusammenhalt gerade in der Flüchtlingskrise beim Krieg in der Ukraine herrscht. Vielleicht bleibt das jetzt so und die Welt ändert sich zum Besseren. Das ist natürlich utopisch, aber man muss immer an die Utopie glauben.“
Get Well Soon kommen am 23. April in Bandbesetzung mit „Amen“ und alten Hits live ins WUK. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten für die Show, dort lassen sich auch weitere Infos zur Veranstaltung finden.
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