Der Krieg in der Ukraine führt zu einer dramatischen Trendwende in der österreichischen Verteidigungspolitik: Nach Jahrzehnten des Sparzwangs und Aushungerns der Streitkräfte plant Verteidigungsministerin Klaudia Tanner nun eine gewaltige Budgeterhöhung. Die „Krone“ kennt die Details.
Modernere Kampfpanzer, automatische Drohnen, neue Jets - plötzlich scheint alles wieder möglich: Dem österreichischen Bundesheer steht dank eines geplanten „Neutralitätspaketes“ möglicherweise der große Geldregen bevor. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP), die sich nach einem holprigen Start im Amt mittlerweile den Ruf einer „Macherin“ erarbeitet hat, hat den Wehrsprechern aller Parteien am Donnerstagvormittag dieses Paket präsentiert. Es sieht laut ersten Informationen eines Sitzungsteilnehmers folgendermaßen aus:
„Robuste Antworten auf moderne Bedrohungen“
Mit dem Budget soll das Heer neben modernen Waffensystemen auch neue Fähigkeiten aufbauen, wie zum Beispiel Cyberabwehr oder stärkere Resilienz und Autarkie. Tanner hielt zuletzt fest, dass „moderne Bedrohungsszenarien auch moderne und robuste Antworten brauchen. Nur so kann sich Europa verteidigen und nur so können wir uns und unsere Neutralität schützen.“
Grüne „irritiert“
Der grüne Koalitionspartner war dabei in einer ersten Stellungnahme prinzipiell dabei, zeigte sich aber aufgrund der Summe und der Meldung in ihrer Gesamtheit irritiert: „Wir brauchen einen gemeinsamen, parteiübergreifenden Schulterschluss, um unser Heer weiterzuentwickeln. Nicht zum Selbstzweck, sondern um uns alle zu schützen“, sagt David Stögmüller, Wehrsprecher von den Grünen. Die 10 Milliarden konnte er allerdings nicht nachvollziehen, auch sei sonst noch nicht über die schwierige Finanzierung gesprochen worden, so Stögmüller zur „Krone“.
Auch der SPÖ-Wehrsprecher Robert Laimer war zwar für eine Erhöhung des Wehretats, doch alles, was über 1% des BIPs hinausging, sei noch nicht verhandelt, sagte er zur „Krone“. Heute wäre lediglich das neue „Risikobild“ des Bundesheeres präsentiert worden, über konkrete Zahlen seien die Wehrsprecher gar nicht informiert worden.
Dramatisch bergab
Seit 2004 hat das Bundesheer 41 Prozent der Luftfahrzeuge, 62 Prozent der schweren Waffen, 61 Prozent der geschützten und gepanzerten Fahrzeuge, 56 Prozent der ungeschützten Lkw und 49 Prozent der ungeschützten Pkw eingespart. Der Personalstand sank um 16 Prozent, die Mobilmachungsstärke gar um 50 Prozent und das Jahreskontingent der Grundwehrdiener um 47 Prozent. Ein drastisches Bild zeigte sich auch bei der Infrastruktur des Militärs. Bei 65 Prozent der Gebäude brauche es größere Instandsetzungen, 25 Prozent der Infrastruktur brauchen kleinere Instandsetzungen, nur zehn der Gebäude sind in einem neuwertigen Zustand.
Mehr als im Kalten Krieg
Mit diesem Neutralitätspaket würde - sollte es das Parlament passieren - ein bislang nie da gewesenes Verteidigungsbudget erreicht werden, das dem stark reduzierten Bundesheer neuen Handlungsspielraum eröffnen würde. 1,5% des Bruttoinlandsproduktes wären um die sechs Milliarden Euro im Jahr. Zum Vergleich: Zum Höhepunkt des Kalten Krieges lag das Verteidigungsbudget bei rund 1,1% des BIP. Dieses Ziel soll mittels parteiübergreifendem Schulterschluss erreicht werden, die meisten Parteien äußerten sich zuletzt sehr wohlwollend gegenüber einer signifikanten Budgeterhöhung. Welche Bereiche dabei auf Mittel verzichten werden müssen, steht noch nicht fest.
Zwei-Flotten-Lösung?
Einen Schub könnte jedenfalls die strauchelnde aktive Luftraumüberwachung erhalten. Nach dem Wegfall der Saab 105OE-Jettrainer Anfang 2021 stehen hier lediglich 15 Eurofighter an einem einzigen Standort zur Verfügung, sie sind von Engpässen bei Personal und Ersatzteilen geplagt. Zuletzt hatte Generalstabschef Robert Brieger angedeutet, dass er sich bei entsprechenden budgetären Mitteln wieder eine Rückkehr zur Zwei-Flotten-Lösung mit einem zweiten Standort - vermutlich wieder in Linz - vorstellen könne.
ABC, Drohnen, Cyber
Wo genau das Geld investiert werden soll, steht noch nicht fest. Es gibt allerdings Bereiche, bei denen laut Heeresexperten akute Aufstockung und Modernisierung notwendig wären:
Bei den Österreichern würde eine Erhöhung laut aktuellen Umfragen gut ankommen: 54 Prozent sind der Meinung, dass die Ausgaben für die Landesverteidigung erhöht werden sollten. 30 Prozent sind dafür, dass diese unverändert bleiben und neun Prozent sind für eine Senkung. Die Befragung wurde nach Ausbruch der Ukraine-Krise durchgeführt.
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