Gipfel-Marathon
Lösungen gesucht, aber Uneinigkeit bei Gas-Boykott
US-Präsident Joe Biden ist für drei Gipfeltreffen nach Brüssel gereist. Angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine rückt der Westen näher zusammen. In der Frage eines Gas-Boykotts besteht jedoch Uneinigkeit.
Schon mehrmals hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der für eine Rede zugeschaltet war, von Europa ein komplettes Öl- und Gasembargo gegen Russland gefordert. Vor dem Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs verlangte der lettische Premier Krisjanis Karins genau dies. „Es ist nur Geld. Wenn du noch lebst und deine Infrastruktur in Ordnung ist, kannst du das Geld wieder verdienen“, so Karins.
Wenn man Russland den Geldhahn zudrehe, könne man dazu beitragen, die Kriegsmaschinerie zu stoppen und echte Verhandlungen über ein Ende des Krieges in Gang zu bringen, sagte der lettische Premier. Diese klaren Worte sind insofern bemerkenswert, weil Lettland stark von russischem Öl und Gas abhängig ist - knapp 99 Prozent der Gasimporte stammen aus Russland.
Gas-Boykott „realitätsfremd und falsch“
Doch bei diesem Thema gibt es keine Einigkeit, mehrere Staaten, unter ihnen Österreich und Deutschland, stehen stark auf der Bremse. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) betont, dass es kurzfristig keine Alternative zum russischen Gas gebe, das bleibe „die unbequeme Wahrheit“. Forderungen nach einem Gas-Boykott weist er als „realitätsfremd und falsch“ zurück. Unterdessen wollen die USA Europa künftig mehr Flüssiggas liefern.
Die EU dürfte der US-Regierung in der Einschätzung folgen, dass Russland in der Ukraine Kriegsverbrechen begeht. Nehammer war am Donnerstag einer von acht der 27 EU-Staats- und Regierungschefs, die in der Debatte mit US-Präsident Biden das Wort ergriffen. Nehammer betonte die Bedeutung des Westbalkans: Es brauche die klare Botschaft, dass es sowohl vonseiten der Europäischen Union als von den USA jetzt wichtig sei, die Region zu betreuen.
Biden für Ausschluss Russlands aus Gruppe der G20
Vor dem EU-Gipfel fand bereits das NATO-Treffen statt. Dabei warnte das Militärbündnis Russland vor weitreichenden Konsequenzen, sollte das Land in der Ukraine chemische oder biologische Waffen einsetzen. Beschlossen wurde eine massive Aufstockung der Truppen in der Slowakei, Ungarn, Bulgarien und Rumänien. US-Präsident Joe Biden sprach sich für einen Ausschluss Russlands aus der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) aus.
Am Freitag, dem zweiten Tag des Gipfels, stehen die steigenden Energiepreise auf der Tagesordnung. Der russische Angriff auf die Ukraine hat die ohnedies schon wuchernden Preise weiter in die Höhe schießen lassen. Die EU-Länder dürften die EU-Kommission damit beauftragen, konkrete Maßnahmen gegen die hohen Strompreise vorzulegen - jedoch ohne den Binnenmarkt oder die Energiewende zu gefährden.
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