Die Kindergärtnerinnen fühlen sich im Stich gelassen. Das Land hat zwar ein neues Kinderbildungs- und Betreuungsgesetz vorgelegt, damit aber nur noch mehr Unmut auf sich gezogen. Die „Vorarlberg Krone“ hat sich bei den Betroffenen umgehört:
Wenn wir jetzt nicht genügend ausgebildetes Personal bekommen, dann werden sich schon bald die ersten Bildungseinrichtungen zu Aufbewahrungsanstalten entwickeln, wo es nur darum geht, dass wir am Morgen einen Haufen Kinder bekommen und einzig darauf schauen, dass wir sie möglichst unverletzt und in gleicher Anzahl an die Eltern zurückgeben - und das war’s„, findet Elisabeth Meyer, Elementarpädagogin im “Pfarrkindergarten Heiligen Kreuz" in Bludenz, klare Worte. In der Privateinrichtung sei die Lage zwar gut, da der Erhalter sehr engagiert sei.
Je mehr Kinder in einer Gruppe zu betreuen sind, desto weniger können wir uns um die individuellen Bedürfnisse kümmern.
Brigitte Zech
Aber: “Ich bekomme sehr wohl mit, dass ganz viele Kolleginnen frustriert sind und sich immer mehr ein Gefühl der Überforderung breit macht.„ Außerdem fehle die Wertschätzung. “Das führt dazu, dass die einen den Job wechseln und die anderen Dienst nach Vorschrift machen. Doch ohne Freude und Enthusiasmus geht ganz viel Qualität verloren. Und ohne hervorragende Betreuung und Förderung droht eine Generation aufzuwachsen, deren Bildungschancen nur noch am Papier stehen."
Ein großes Problem sei, dass sich die Politik mehr um die Bedürfnisse der Wirtschaft als um jene der Kinder kümmere: „Man schaut nicht auf uns, man schaut nicht auf die Kinder, man schaut einfach, dass möglichst viele Kinder einen Platz haben. Wie der Platz qualitativ gestaltet ist, ist völlig egal. Hauptsache, die Kinder sind untergebracht, Hauptsache, die Einrichtungen haben von sieben bis 17 Uhr offen und Hauptsache, es kostet nicht zu viel.“
Jeder Euro, der in Kinder investiert wird, wird zehn- bis hundertfach belohnt. So viel Zins hat man nirgends.
Petra Bischof
„Wir spielen ja nicht nur mit den Kindern“
Mit ein Grund für die Ignoranz könnte sein, dass viele schlicht nicht wissen, was Elementarpädagoginnen tagtäglich leisten müssen: “Wir sind schon längst nicht mehr diejenigen, die einfach mit den Kindern spielen und basteln - da steckt viel mehr dahinter„, erklärt Petra Bischof vom Kindergarten “Weinschlössle„ in Bregenz. “Die Bildungsarbeit ist vielfältig. Wir fördern die Kinder in ganz vielen Bereichen - das fängt beim sozialen und emotionalen Bereich an und geht über Sprachförderung, mathematisches und logisches Denken bis hin zur Bewegungsförderung. Bei jedem Kind bewerten wir den Status quo und arbeiten heraus, welche Schritte als nächstes anstehen.
Wir haben oft fehlendes Personal durch zusätzlichen Einsatz kompensiert. Das geht aber nicht mehr.
Christina Gächter
Kinder haben unterschiedliche Bedürfnisse und unterschiedliche Entwicklungsstände - ohne individuelle Förderung geht es nicht.„ Ins gleiche Horn bläst Brigitte Zech, Kindergartenleiterin in Dornbirn: “Je mehr Kinder, desto weniger können wir uns um sie kümmern. Das ist auch insofern fatal, als dass im Laufe der Zeit die individuellen Betreuungsbedürfnisse bei den Kindern deutlich zugenommen haben.„ Aktuell sind eine Pädagogin und eine Assistentin für bis zu 23 Kinder zuständig. “Da bleibt nicht viel Zeit, um mit den Kindern das logische Denken zu erörtern oder physikalische Gesetze zu beobachten", merkt Petra Bischof mit leichtem Sarkasmus an.
Situation droht sich weiter zuzuspitzen
Dabei dürfte das dicke Ende erst noch kommen. So geht etwa Christina Gächter, Leiterin des städtischen Ganztageskindergartens in Feldkirch, davon aus, dass sich die Personalnot aufgrund der anstehenden Pensionierungswelle weiter zuspitzen wird: „Als engagierte Berufsgruppe haben wir in der Vergangenheit oft fehlendes Personal durch zusätzlichen Einsatz kompensiert. Das geht aber nicht mehr, wir können das nicht mehr leisten. Wir brauchen Sofortmaßnahmen, damit die Kinder die bestmögliche Begleitung erfahren. Mein Appell an die Politik: Bitte hört uns endlich! Es geht uns nicht darum, dass wir Luxusbedingungen vorfinden - uns geht es nur um die Kinder.“
Ohne eine hervorragende Förderung droht eine Generation aufzuwachsen, deren Bildungschancen nur noch am Papier stehen.
Elisabeth Meyer
Die Devise der Landesregierung scheint indes zu lauten: Augen zu, Ohren zu - und durch! Das jüngst präsentierte neue Kinderbildungs- und Betreuungsgesetz ist im Alleingang aus dem Boden gestampft worden - kein Wunder also, dass sich Interessensvertreter und Opposition übergangen fühlen: Einwände und Anregungen seien nicht berücksichtigt worden, gerade in Sachen Personal würden wesentliche Punkte fehlen. Beim Land verweist man indes auf die Begutachtungsfrist - es sei also sehr wohl noch möglich, sich einzubringen.
Die Forderungen der Pädagoginnen liegen auf dem Tisch: Neben einer Ausbildungsoffensive, kleineren Gruppen und einer Unterstützung bei den administrativen Tätigkeiten brauche es auch mehr Gehalt, um den Beruf attraktiver zu machen. „Jeder Euro, der in Kinder investiert wird, wird zehn- bis hundertfach belohnt. So viel Zins hat man nirgends“, bringt es Petra Bischof auf den Punkt.
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