Lieferung nun per Zug
Kämpfe um Hafenstädte verhindern Getreideexporte
Die ukrainischen Hafenstädte Mariupol, Berdjansk, Cherson, Mykolajiw und Odessa rücken zunehmend in den Brennpunkt der Kämpfe. Odessa etwa wird derzeit von der russischen Marine blockiert. Die Kampfhandlungen und der mögliche Verlust dieser wichtigen Städte und ihrer Hafenanlagen können in den nächsten Wochen und Monaten für den Getreideexport der Ukraine und in der Folge auch für globale Versorgungslage katastrophale Auswirkungen haben. Wegen der Blockade hat die Ukraine jetzt mit den ersten Getreidelieferungen in die EU per Zug begonnen.
„Die Häfen von Mariupol und Berjansk sind beschädigt, Cherson, Mykolajiw und Odessa sind blockiert. Im Schwarzen Meer wurden nun erstmals frei schwimmende, offensichtlich losgerissene Seeminen entdeckt. Diese stellen eine wesentliche Bedrohung dar und bringen im Moment die zivile Schifffahrt zum Erliegen“, sagt Oberst Markus Reisner, Leiter der Entwicklungsabteilung der Theresianischen Militärakademie, im Gespräch mit der APA.
Unklar, ob Schiffe Häfen überhaupt erreichen können
Reisner rechnet damit, dass nun die Versicherungsprämien für die zivile Schifffahrt in die Höhe getrieben und sich nur wenige Unternehmen finden werden, die das Getreide in der Ukraine in den nächsten Monaten abholen werden. Zudem ist völlig unklar, ob in den umkämpften Städten und deren Häfen überhaupt mit den Frachtschiffen angelegt werden könne. Die derzeitige Sicherheitslage lässt dies nicht zu und zudem beherrscht die russische Marine das Schwarze sowie das Asowsche Meer. Die Ukraine könnte so auf Millionen Tonnen Weizen, Soja und Mais sitzen bleiben.
Der drohende Verlust von Getreideeinnahmen wird in der Ukraine mit sechs Milliarden US-Dollar (knapp 5,5 Mrd. Euro) beziffert. Das Land hat nach ukrainischen Angaben noch rund 20 Millionen Tonnen Weizen und Mais aus der Saison 2021/22, die bis Juni zum Verkauf bestimmt waren, auf Lager liegen.
Ukraine exportiert 98% des Getreides über Häfen
Die Länder, die auf Importe von ukrainischem Weizen angewiesen sind - darunter Ägypten, die Türkei und der Jemen - stehen vor einem massiven Problem. Die Ukraine, ein bedeutender Produzent von Getreide und Ölsaaten, exportiert 98 Prozent ihres Getreides über ihre Häfen und nur einen Bruchteil per Bahn, weil hier die Transportkosten wesentlich höher und der verfügbare Transportraum gering sind.
Rund 100 Schiffe in den Häfen gestrandet
Seit Kriegsbeginn am 24. Februar sind die ukrainischen Getreideexporte so gut wie zum Erliegen gekommen. Und es gibt noch weiteres Problem: Laut ukrainischen Angaben sollen rund 100 Schiffe unter ausländischer Flagge in den Häfen des Landes gestrandet sein und nicht mehr wegkommen.
Ukraine versucht nun Export mit Zügen
Die Ukraine versucht nun Getreide per Zug durch die Westgrenze zu exportieren. Die Transportkapazitäten sind jedoch beschränkt und nicht mit den Möglichkeiten von Seetransporten zu vergleichen. Die Eisenbahn des Landes gibt an, dass sie rund 20.000 Tonnen Getreide pro Tag nach Rumänien, Polen, Ungarn und in die Slowakei liefern könnte. Demnach bräuchte es 1000 Tage, also knapp drei Jahre, um die 20 Millionen Tonnen, die derzeit auf den Export warten, aus dem Land zu bringen.
Aufgrund von Logistikproblemen angesichts der russischen Invasion wird aber erwartet, dass von März bis Juni nur eine Million Tonnen Getreide das Land verlassen werden. Zudem bestehe die Gefahr, dass die russischen Luftangriffe die Eisenbahnlinien gezielt unterbrechen könnten, sagt Oberst Reisner. Erst vor einigen Tagen sei eine wichtige Eisenbahnlinie von Dnipro in Richtung Osten gezielt mit Luftschlägen zerstört worden. „Hier war es die russische Absicht, die Versorgung der ukrainischen Truppen ostwärts des Dnepr zu unterbinden.“
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.