„Wir sind wie Bienen“

Diese Drohnenpiloten stoppten Putins Panzer

Elektronik
28.03.2022 15:01

In Dutzenden Kilometer langen Konvois standen Anfang März, kurz nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine, Putins Panzer vor der Hauptstadt Kiew. Doch der Vormarsch kam zum Erliegen. Dazu sollen insbesondere Luftangriffe durch eine Drohnen-Eliteeinheit der Ukrainer beigetragen haben, die sich „Aerorozvidka“ nennt.

Der „Guardian“ hat ein Interview mit Yaroslav Honchar, dem Kommandanten der rund 30 Mann starken Drohnentruppe, veröffentlicht. Darin berichtet er über deren Entstehung und ihre Rolle im ukrainischen Abwehrkampf. Honchar erzählt von der Taktik, die seine Einheit gegen den russischen Konvoi anwandte, der sich Kiew aus nördlicher Richtung näherte.

Aerorozvidka betreibt einen eigenen YouTube-Kanal: Im bereits vor Kriegsbeginn hochgeladenen Video oben präsentiert die Truppe ihr Arsenal.

Hinterhalt aus den Wäldern um Tschernobyl
Aerorozvidka griff den russischen Konvoi aus dem Hinterhalt an: Als Putins Panzer auf der Straße von Tschernobyl nach Kiew vorrückten, brachten sich Honchars Soldaten auf Quads in kleinen Teams in den Wäldern entlang der Straße in Position. Die Ausstattung: Nachtsichtgeräte, Scharfschützengewehre, Minen mit Fernzünder und Drohnen mit Wärmebildkameras sowie der Fähigkeit, 1,5-Kilo-Bomben abzuwerfen.

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Diese kleine Einheit hat in dieser Nacht zwei oder drei Fahrzeuge an der Spitze des Konvois zerstört, danach sind sie festgesteckt.

Yaroslav Honchar, Aerorozvidka

„Diese eine kleine Einheit hat in dieser Nacht zwei oder drei Fahrzeuge an der Spitze des Konvois zerstört, danach sind sie festgesteckt“, erzählt Honchar. Die Männer seien noch einige Nächte in der Gegend geblieben und hätten etliche weitere Fahrzeuge zerstört. Als die Russen versuchten, sich zu zerstreuen, habe man das Vorratsdepot der Angreifer bombardiert. Honchar: „Die erste Welle der russischen Kräfte steckte ohne Heizung, Öl, Bomben und Sprit fest, und das alles wegen der Arbeit von 30 Leuten.“

Den Ausführungen des Kommandanten zufolge soll Aerorozvidka auch die Einnahme des Flugplatzes Hostomel nahe Kiew verhindert haben. Drohnen hätten die rund 200 russischen Fallschirmjäger, die zur Einnahme des Flughafens angerückt waren und sich zu sammeln versuchten, schnell geortet, damit man sie unter Beschuss nehmen konnte. „Das hat stark dazu beigetragen, dass sie diesen Flugplatz nicht weiter für ihren Angriff nutzen konnten“, sagt einer von Honchars Männern.

Unabhängig überprüfbar sind diese Ausführungen freilich nicht.

Nach Krim-Annexion von IT-Profis gegründet
Ins Leben gerufen wurde die Drohneneinheit angesichts der russischen Annexion der Krim und der separatistischen Tendenzen in der Ostukraine im Jahr 2014. Aerorozvidka wurde von Uni-Absolventen gegründet, die ihre IT-Fertigkeiten zur Landesverteidigung einsetzen wollten. Im zivilen Leben Banker, IT-Spezialisten oder Unternehmensberater, bauten sie die Einheit zunächst mit kommerziell erhältlichen Überwachungsdrohnen auf.

Mit der Zeit entwickelte man die Technik weiter und ging zum Bau eigener Drohnen über, die auch Bomben und Panzergranaten abwerfen können. Aerorozvidka habe auch ein Sensornetzwerk in der Ukraine installiert, das mittlerweile mit den vom US-Unternehmer Elon Musk bereitgestellten Starlink-Verbindungen verknüpft wurde.

Probleme macht Aerorozvidka fehlender Nachschub: Drohnen und Komponenten für deren Bau seien in der Ukraine kaum zu bekommen, verlorene oder abgeschossene Fluggeräte dadurch schwer zu ersetzen. Bauteile wie hoch entwickelte Modems oder Wärmebildkameras aus den USA und Kanada bekomme man aufgrund von Exportbeschränkungen kaum.

Russen haben Abwehrmöglichkeiten
Hinzu kommen russische Gegenmaßnahmen. Russland bringt in der Ukraine Fahrzeuge zur elektronischen Kriegsführung zum Einsatz, die gegnerische Funksignale stören und verhindern sollen, dass die Ukrainer ihre Drohnen starten können. In so einem Fall warte man, bis die Störsignale deaktiviert werden und greife erst dann an, sagt Honchar. Zudem setzen auch die russischen Truppen im großen Stil Drohnen ein - darunter eine Kamikaze-Drohne mit KI-Zielerfassung des Kalaschnikow-Konzerns.

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Eine einzelne Biene ist nichts, aber wenn Tausend angreifen, können sie auch einen großen Gegner vertreiben.

Yaroslav Honchar, Aerorozvidka

Die Kämpfe in der Ukraine seien ein Beispiel für die Kriegsführung der Zukunft, sagt Kommandant Honchar. Kleine mobile Trupps mit fortschrittlicher Aufklärung und Kommunikation könnten mit Guerrilla-Taktiken auch übermächtige Angreifer in Bedrängnis bringen. Aerorozvidka sei „wie die Bienen, nur dass wir nachts arbeiten“, sagt Honchar. „Eine einzelne Biene ist nichts, aber wenn Tausend angreifen, können sie auch einen großen Gegner vertreiben.“

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