Aufregung in der Murmetropole: Die Grazer Stadtbibliothek setzt einen drastischen Schritt - und sortiert die Bücher des umstrittenen Dichters Hans Kloepfer aus. Geht die politische Korrektheit zu weit?
Max-Mell-Allee und Kernstockgasse - diese beiden Straßennamen werden schon bald aus dem Grazer Stadtbild verschwinden. Einst setzte man den beiden steirischen Dichtern Denkmäler in Form der Benennung eigener Verkehrswege in der Landeshauptstadt, in den vergangenen Jahren jedoch wurden sie - wie auch zahlreiche andere Künstler - als Hetzer, NS-Propagandisten und Antisemiten entlarvt.
80 bedenkliche Namen stehen auf der „Roten Liste“ der Kommission, die belasteten Straßen und Plätze sollen nun sukzessive umbenannt werden. Die Experten haben 20 Namen also „höchst problematisch“ eingestuft - dazu zählt auch die Dr.-Hans-Kloepfer-Straße.
Um letzteren umstrittenen Schriftsteller gibt es jetzt neuerliche Aufregung in der Murmetropole. In der Stadtbibliothek, die in sieben Zweigstellen 300.000 Bücher anbietet, nimmt man nun offenbar einen „Frühjahrs-Kehraus“ vor - im Zentrum steht der weststeirische Dichterarzt. So gibt es interne Anweisungen, dass die Werke von Hans Kloepfer nicht mehr entlehnt werden dürfen!
Hans Kloepfers Werke sollen „entsorgt“ werden
Und mehr noch: Seine Bücher sollen dauerhaft aus den Regalen verschwinden - sogar von „Entsorgung“ ist die Rede. Geht diese politische Korrektheit zu weit? Die „Steirerkrone“ hat Uni-Graz-Professorin Barbara Stelzl-Marx um Einschätzung gebeten - als Leiterin des LBI Kriegsfolgenforschung ist sie auch in die Erstellung von Straßennamen-Zusatztafeln involviert.
„Hans Kloepfer hat unter anderem den ,Anschluss’ Österreichs an Deutschland begrüßt und einschlägige Schriften verfasst. Es ist wichtig, solche Werke zu kontextualisieren und Bewusstsein für ihre Problematik zu schaffen. Auch Medienberichte können für eine Sensibilisierung sorgen, warum derartige Schriften kritisch zu sehen sind.“ Der Zugang der Historikerin wäre also eher eine fundierte Erklärung der Werke denn eine gänzliche Verbannung.
Es braucht das Schaffen von Bewusstsein, warum solche Schriften kritisch zu sehen sind. Zudem ist eine Kontextualisierung wichtig.
Barbara Stelzl-Marx, LBI Kriegsfolgenforschung
Auf „Krone“-Nachfrage bestätigt man in der Stadtbibliothek den spektakulären Schritt: „Ja, es stimmt, Kloepfers Bücher wurden wegen seines NS-Hintergrundes und seiner NSDAP-Parteimitgliedschaft aus dem Bestand genommen.“
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