Ein fast militärisch-zackiges "Das ist falsch!" durchschneidet plötzlich die schwüle, verrauchte Luft im weitläufigen Probe-Studio irgendwo am Rande Wiens. "Kennst di net aus bei der Nummer?!", murrt der Frontman seinen Keyboarder und Intimus Günter Dzikowski an, als dieser beim Intonieren von "Schaffnerlos" für nur wenige Sekunden den Überblick verliert. Wolfgang Ambros ist angespannt. So kurz vor der großen Jubiläums-Tour will der Perfektionist mit dem Hang zum Granteln nichts dem Zufall überlassen. Für ein launiges Gespräch über seine bewegte 40-jährige Karriere nahm er sich im allgemeinen Vorbereitungsstress trotzdem Zeit.
krone.at: Herr Ambros, es heißt, Sie wären bei Interviews unberechenbar. Worauf müssen wir demnach eingestellt sein?
Wolfgang Ambros: Wenn die Fragen einigermaßen vernünftig sind und nicht schon von vornherein provokativ, dann bin ich auch durchaus berechenbar. Aber ich lass mir natürlich auch nicht am Schädel scheißen!
krone.at: Wie gelegen kommen Ihnen denn Interviews prinzipiell in intensiven Vorbereitungsphasen?
Ambros: Naja, nicht sehr, wie ihr euch vorstellen könnt. Jeder ist gespannt wie ein Pfitschipfeil. In Kürze spielen wir ja hier im Probe-Studio den ersten Durchlaufer des kompletten Jubiläums-Konzerts. Und der muss klappen.
krone.at: Was dürfen sich denn die Fans von den Jubiläums-Konzerten am 17. und 18. Juni in der Arena erwarten? Und was erwarten Sie sich selbst?
Ambros: Ich erwarte mir vorerst gar nichts, weil ich's noch nicht abschätzen kann. Aber ich habe jedenfalls auf vielfachen Wunsch meiner Stammkundschaft, der Mitarbeiter und einiger anderer Menschen, die immer wieder nach einem neuen Programm fragen, die Anregungen gesammelt, eine Liste gemacht und daraus ein, wie ich hoffe, flüssiges und den Wünschen entsprechendes Programm gemacht. Es ist jetzt so, dass von dem letzten sogenannten Best-of-Programm gar nichts mehr übrig ist, außer ein paar Zugaben. Und die Lieder, die wir bei den Jubiläums-Konzerten spielen, haben wir alle entweder ewig nicht mehr oder überhaupt noch nicht live gespielt. So gesehen handelt es sich schon auch um ein Best-of-Programm. Aber es sind die Lieder, die uns bzw. mir am besten gefallen.
krone.at: Ausschlaggebend dafür, dass wir hier über Ihr 40-jähriges Jubiläum plaudern, war das Jahr 1971 und "Da Hofa", mit dem Sie den Durchbruch schafften. Sie waren damals Plattenverkäufer. Mit welchen Erwartungen sind Sie denn damals in das Studio gegangen, um die Nummer einzuspielen?
Ambros: Eigentlich war ich damals gar nicht mehr Plattenverkäufer, sondern quasi arbeitslos und nur mehr darauf ausgerichtet, diesen, meinen einzigen Wunsch, auch zu verwirklichen. Ich bin also mit der Erwartung ins Studio gegangen, dass ich natürlich einen Hit produziere. Und das ist auch eingetroffen. Im Nachhinein betrachtet war es ein Wunder, der Wahnsinn schlechthin. Damals ist es mir relativ normal vorgekommen (lacht).
krone.at: Was wäre aus Ihnen geworden, wenn es das Jahr 1971 und den "Hofa" nicht gegeben hätte?
Ambros: Das ist schwer zu sagen.
krone.at: Ein Musterschüler waren Sie ja nicht gerade.
Ambros: Ich war Schulabbrecher und Job-Hopper. Wobei: Als Plattenverkäufer war ich schon versiert. Viele sind auch nur meinetwegen gekommen, weil sie wussten, dass ich mich auskenne. Und zwar über das übliche Maß hinaus. Die damalige Zeit ist ja mit der heutigen nicht vergleichbar. Die Medien haben ja kaum Notiz davon genommen, was sich in der Musikwelt getan hat. Ob etwa Fleetwood Mac eine neue Platte herausgebracht hat, ist in keiner Zeitung gestanden. Das musste man eben wissen.
krone.at: Klingt da in Ihnen Wehmut durch, dass Sie nicht in der heutigen Zeit – mit eben dieser Medien-Maschinerie im Hintergrund – noch einmal von Null beginnen können?
Ambros: Also, ich würde heute nicht mehr anfangen wollen. Das muss ich ganz deutlich sagen.
krone.at: Warum nicht?
Ambros: Ich hatte damals wenigstens Zeit, mich zu entwickeln. Ich war 19 Jahre alt. Und die Leute, die heute beginnen, sind zum Teil noch jünger. Die haben aber keine Chance, sich zu entwickeln, sondern werden "head first" ins kalte Wasser geschmissen. Und wirklich geschwommen ist bis heute nur die Christl (Stürmer, Anm. d. Red.).
krone.at: Sie sprechen die heute modernen, aber streitbaren Casting-Formate wie "Starmania" an?
Ambros: Gibt's denn noch irgendwas anderes?
krone.at: Was halten Sie von solchen Casting-Shows?
Ambros: Wenn ich mir anschaue, was sich daraus ergibt, relativ wenig. Der einzige Profiteur solcher Shows ist die jeweilige Fernseh-Station.
krone.at: Was unterscheidet Christl Stürmer von anderen Teilnehmern solcher Formate?
Ambros: Dass sie es wirklich will. Und dass sie zum Zeitpunkt, als sich der Hype um ihre Person gelegt hat, nicht kopflos geworden ist, und auch nie irgendwelche Starallüren hatte, sondern immer ein ganz normales Mädel geblieben ist, das nichts anderes will, als gute Musik zu machen. Und von der Sorte gibt's nicht viele. Die meisten wollen den Ruhm und auf Partys gehen. Dass es aber auch eine verdammte Hack'n sein kann, sehen die wenigsten 16- und 17-Jährigen.
krone.at: Heißt das, dass die Musiker heute prinzipiell schlechter sind als damals?
Ambros: Musiker sind das ja nicht. Das sind Teenager, die Stars sein wollen. So etwas ist doch kein Musiker.
krone.at: Zurück zu Ihrer Person. In den 70er-Jahren ist es bei Ihnen Schlag auf Schlag gegangen, ein Hit folgte dem nächsten. Wie hat dieser Erfolg den Menschen Wolfgang Ambros verändert?
Ambros: Ich hoffe, nicht sehr. Was damit einhergegangen ist, waren halt eine ganze Menge solcher Interviews (lacht) …
krone.at: … von denen Sie wie viele als lästig empfunden haben?
Ambros: Die meisten, ehrlich gesagt. Denn heute habe ich ja wirklich eine Menge zu erzählen. Aber damals waren die Fragen ganz anderer Natur. Etwa: "Wie kommen Sie dazu, im Dialekt zu singen?" und solche Sachen. Das fragt mich heutzutage ja keiner mehr.
krone.at: Heißt das, dass Sie sich in jungen Jahren auch verbiegen lassen haben müssen?
Ambros: Ich könnte nicht sagen "Nein". Das wäre wahrscheinlich gelogen. Ich habe es halt so weit hintangehalten wie irgendwie möglich. Aber ich habe mich zum Beispiel von einer deutschen Plattenfirma dazu überreden lassen, "Zwickts mi" in etwas Ähnliches wie Hochdeutsch zu übersetzen. Das war natürlich gerade bei dieser Nummer ein echtes Problem, weil es ein richtiges Wienerlied war. Trotzdem hab' ich mich halt hingesetzt und es gemacht. Was auch funktioniert hat: Die Single ist in Deutschland gespielt worden, wir waren in der ZDF-Hitparade, ich habe Jürgen Drews, Roland Kaiser und Marianne Rosenberg kennengelernt. Es war schon auch lustig, das muss ich schon sagen, aber ich habe mich plötzlich in einer fremden Gesellschaft wiedergefunden. Ich habe mir gedacht: Das ist nicht das, wofür ich angetreten bin.
krone.at: Inwieweit haben sich Ihre Intentionen, die Sie mit Musik verfolgen, denn geändert? Sie haben in einem Interview gemeint, Sie hätten sich damit abgefunden, die Menschen glauben zu lassen, was sie wollen. So hätten Sie auf der Bühne Ihren Frieden. Sind Sie im Laufe der Jahre angepasster geworden?
Ambros: Ganz im Gegenteil, würde ich sagen. Ich weiß heute viel genauer, was ich selber möchte und was nicht. Wenn man sich heute die Bühne anschaut, sieht man, dass es heute auch schwieriger umzusetzen ist als damals. Die Möglichkeiten haben sich auch geändert – Gott sei Dank! Sonst würde man das auch nicht 40 Jahre stellt, dann wird's irgendwann einmal zur Routine. Und dann wollen es die Leute auch nicht mehr hören.
krone.at: Apropos Routine. Sie haben einmal gesagt, Sie wären vor Auftritten kaum bis gar nicht nervös. Läuft man dabei aber nicht Gefahr, dass eben diese Routine Überhand gewinnt und man nicht mehr authentisch ist?
Ambros: Also, gerade in der Vorbereitung auf solche Jubiläums-Konzerte sind wir alle miteinander ziemlich nervös. So ist es ja nicht. Wir geben uns ja wirklich größte Mühe. Auch ich habe mich beim Zusammenstellen des Programms durchaus weit aus dem Fenster gelehnt. Und die Umsetzung war schon ein Haufen Arbeit.
krone.at: Dadurch wird wohl auch die Familie ziemlich vernachlässigt, nicht?
Ambros: In meinem Fall leider Gottes sogar sehr stark. Ich bin jetzt zwar zwei Tage daheim, dann muss ich aber wieder weg. Das ist schon hart, wenn man, so wie ich, zwei kleine Kinder daheim hat. Die verstehen natürlich nicht, warum der Papa schon wieder weg ist.
krone.at: Hart war für Sie auch das Jahr 2007, als bei Ihnen ein Prostata-Karzinom diagnostiziert worden ist. Was hilft Ihnen in so schwierigen Phasen?
Ambros: Wenn so etwas ist, dann hat man eh keine Zeit darüber nachzudenken, wie man sich jetzt selbst helfen kann. Sondern dann sucht man halt den richtigen Arzt auf und tut das, was notwendig ist. Da hat man nur ein Ziel vor Augen: das loszuwerden. Which way ever.
krone.at: Haben Sie Angst vor dem Tod?
Ambros: Angst habe ich nicht. Das habe ich ja auch in meinen Liedern schon postuliert. Ich meine, jetzt möchte ich nicht unbedingt sterben (lacht). Ich habe ja kleine Kinder und die hätte ich schon noch gern so lange wie irgend möglich um mich herum. Ich weiß schon, dass es irgendwann zu Ende sein wird. Aber im Augenblick denke ich nicht daran.
krone.at: Dann wagen wir abschließend doch noch einen Ausblick in die Zukunft. Wie lange werden Sie noch auf der Bühne stehen?Ambros: Das weiß der liebe Gott. Ich nicht.
krone.at: Wenn's nach Ihnen geht, Ihr ganzes Leben?
Ambros: Solange ich es bewerkstelligen kann. Und solange mir auch jemand zuhören will. Das kann man ja nie wissen.
Fotos: Michael J. Payer
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