Getreide in Tirol

Die penetrante Abkehr vom Korn rächt sich jetzt

Tirol
01.04.2022 12:30

Der Getreidepreis geht derzeit durch die Decke. Logische Folge: Wir bauen „unser Korn“ in Tirol selbst an. Eine absurde Vorstellung, wie die Situationsanalyse zeigt.

Es geht schon wieder los: Nach dem Klopapier wird nun Mehl gehamstert. Grund dieses unsolidarischen Aktes ist der russische Angriffskrieg in der Ukraine, der Kornkammer Europas. Geht der nicht bald zu Ende, bleibt die Ukraine auf ihren Getreidemassen sitzen, angebaut wird heuer wohl nur wenig. Der Getreidepreis hat sich grob gesagt verdoppelt.

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Österreich importiert 1,16 Millionen Tonnen Getreide hauptsächlich aus Ungarn und Tschechien, der Anteil an Futtergetreide ist groß.

Reinhard Egger von der Tiroler Landwirtschaftskammer

Droht ein Notstand in Österreich? „Österreich importiert 1,16 Millionen Tonnen Getreide hauptsächlich aus Ungarn und Tschechien, der Anteil an Futtergetreide ist groß“, weiß Reinhard Egger, Ackerbauexperte der Tiroler Landwirtschaftskammer (LK), „allerdings wird auch dort der Export seit Kurzem einem Mengencheck unterzogen“. Sollte es knapp werden, wäre ein Ansatz, den Anteil zur Produktion von Biokraftstoff zu überdenken. Dieser mache immerhin rund die Hälfte (!) der Importmenge aus.

„Getreideanbau erinnert an eine Orchideenzucht“
Und wie sieht’s in Tirol aus? Auch hier stöhnen die Bauern, die ohnehin mit der Produktpreisspanne zu kämpfen haben, unter den exorbitant steigenden Kosten für Futtergetreide. Mittlerweile wird die Forderung immer lauter, selbst mehr Korn anzubauen, um eine gewisse Unabhängigkeit zu erreichen. Allerdings zermahlt ein Blick auf die Ist-Situation jede diesbezügliche Hoffnung: „Der Getreideanbau in Tirol erinnert an eine Orchideenzucht“, zeigt Egger auf die ernüchternde Grafik. Die Anbaufläche von 14.000 Hektar in der Nachkriegszeit ist auf 800 Hektar geschrumpft.

(Bild: Krone KREATIV)

Für den Bedarf von knapp 520.000 Tonnen Korn ist die Eigenproduktion von 4160 Tonnen gar nicht „ährenvoll“. Die Selbstversorgung steht bei 0,8 Prozent. Dass die Getreideproduktion bei uns ein Stiefkind geworden ist, rächt sich nun. Dabei wären die Voraussetzungen geradezu ideal: Die Genbank Tirol kümmert sich um den Erhalt der alten Landsorten im Imster Forschungsbauernhof, das Getreidezentrum in Flaurling vermehrt diese als Saatgut und stellt die Infrastruktur für die Verarbeitung.

LK-Ackerbauexperte Reinhard Egger, hier im Getreidezentrum Flaurling, hält das 1a-Qualitätskorn in Händen - bereit für den Anbau. (Bild: Daum Hubert)
LK-Ackerbauexperte Reinhard Egger, hier im Getreidezentrum Flaurling, hält das 1a-Qualitätskorn in Händen - bereit für den Anbau.

Fördertechnische Hürden für mehr Anbauflächen
Doch könnte man angesichts der unmittelbar bevorstehenden Anbauzeit nicht spontan reagieren und einfach neue Äcker anlegen? „So einfach ist das nicht“, bremst Martin Kapeller die Erwartungen. Er ist Experte für das AMA-Fördersystem in der Bezirkskammer Imst. Eine bedeutende Förderschiene ist das „Österreichische Programm für umweltgerechte Landwirtschaft“, kurz ÖPUL, das auf möglichst viel Grünland abzielt. 2023 startet das Fördersystem zwar in eine neue Periode, stützt sich aber auf die vorherige.

Kapeller: „Möchte man weiterhin die Mittel lukrieren, darf man seine Ackerflächen höchstens um fünf Prozent seines Grünlandes erweitern. Der erste Hektar ist aber frei von Bedingungen.“ Immerhin! Sowohl Egger, als auch Kapeller nehmen zurzeit allerdings keine verstärkten Intentionen der Bauern wahr, sich dem Getreide zuzuwenden. Dabei sehen beide eine Chance, endlich einen „guten Preis“ für ein bäuerliches Produkt zu erzielen. Vielleicht muss die Erkenntnis noch reifen, man sollte die Flinte (noch) nicht ins Korn werfen.

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