Die Alpen stehen schon lange als große Verlierer des Klimawandels fest - wie Forscher nun warnen, ist der Prozess aber bereits sehr weit vorangeschritten. Im Rahmen eines Forschungsprojekts mit Wanderern hat sich gezeigt, dass in Deutschland ein Großteil der Berge zwischen Berchtesgaden und Oberstdorf noch in diesem Jahrhundert zu einem großen Teil mit Bäumen bewachsen sein wird. Das bringt künftig zahlreiche Gefahren mit sich.
Bei der Gipfelrast den Blick weit über saftige Bergwiesen schweifen lassen - das wird es künftig jedoch immer seltener geben. „Die Berge wachsen zu. Die schönen Landschaften oberhalb der Waldgrenze, wo wir einen tollen Blick haben und die Kühe friedlich grasen, das wächst alles zu“, erklärte Jörg Ewald von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf die vorläufigen Ergebnisse des Mitmach-Projekts „Baumgrenzen erkunden“.
Dabei werden Bergliebhaber aufgefordert, bei ihren Touren auf die höchstgelegenen Exemplare von 23 Baumarten zu achten. Entdecken sie einen für einen Höhenrekord infrage kommenden Baum, wird der Standort samt GPS-Koordinaten und Foto in einer App gespeichert.
Vergleichsdaten aus dem Königreich
Der Clou: 1854 wurden die höchstgelegenen Exemplare im Auftrag des bayerischen Königs Maximilian II. schon einmal erfasst - just zu jener Zeit, die heute als Referenz für vorindustrielle Klimabedingungen gilt. Und schon damals wurde auf der Wetterwarte auf dem oberbayerischen Hohen Peißenberg täglich die Temperatur gemessen.
„Seither hat die Temperatur in den Alpen schon um zwei Grad zugenommen“, erläuterte Ewald. Die Stechpalme etwa, die 1854 ihren höchsten Standort auf 907 Metern hatte, findet sich heute bereits auf 1300 Metern - und hat sich damit um genau jene 400 Höhenmeter nach oben ausgebreitet, die wegen der höheren Durchschnittstemperatur zu erwarten gewesen wären.
Pflanzen klettern immer höher
„Diesen Prozess kann man sich Baumart für Baumart anschauen“, führte Botanikprofessor Ewald weiter aus. Die Daten der Wanderer werden nämlich in anschauliche Karten übertragen - anzusehen im „Portal“ unter www.baysics.de. Einen Mausklick weiter finden sich im „NatureExplorer“ auch Projektionen für die Zukunft.
Rot eingefärbt erscheinen dann die Flächen, auf denen etwa die Stechpalme bei einer weiteren Erwärmung um ein Grad und zwei Grad wachsen könnte - womit die Forscher bei einem nur moderat zunehmenden Kohlendioxidausstoß bis zum Jahr 2050 beziehungsweise 2100 rechnen.
„Wie eine Zeitbombe, die abläuft“
„Dann hätten wir gegenüber 1850 plus vier Grad - das ist das, was viele Wissenschaftler für am wahrscheinlichsten halten. Das können wir fast nicht mehr verhindern“, betonte Ewald. Nur die Spitzen des Zugspitzmassivs würden der Prognose zufolge am Ende dieses Jahrhunderts noch aus den Wäldern herausschauen. „Das ist Wahnsinn, was wir da machen mit dem Klima. Das ist wie eine Zeitbombe, die vor unseren Augen abläuft!“
Dass sich das Bergland schneller erwärmt als das Flachland, liegt daran, dass in den Bergen immer weniger und kürzer Eis und Schnee liegt. Denn weiße Flächen reflektieren die Sonnenenergie wesentlich besser als dunkle Flächen wie Schotter oder Grasland. Steigt nun der Anteil dunkler Flächen, heizt sich das Gebirge auf - zusätzlich zum „normalen“ Anstieg durch die Treibhausgase.
Weitreichende Gefahren
Wenn künftig etwa an der Zugspitze der Permafrost auftaue, wegen der fehlenden Bodenentwicklung aber noch kein schützender Wald wachsen könne, „dann kommt es vermehrt zu Naturgefahren“, erläutert Menzel. Dazu gehören etwa Lawinen, Muren, instabile Hänge und Steinschläge.
Und auch auf niedrigeren Bergen droht Gefahr: Wegen der zunehmenden Trockenheit werde selbst im Winter das Waldbrandrisiko deutlich steigen, mahnt Menzel. Bei der Gipfelbrotzeit könnte dann der Anblick verkohlter Bäume und Sträucher den Appetit verderben. Menzel sieht deshalb nur eine Möglichkeit: „Wir müssen raus aus den fossilen Energien, müssen auf regenerative Energien umsteigen, und das möglichst schnell.“
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