Tote auf den Straßen
Russen-Abzug offenbart „unaussprechlichen Horror“
Nach dem Rückzug der russischen Truppen aus der Umgebung der ukrainischen Hauptstadt Kiew bietet sich ein Bild des Grauens. In der wochenlang heftig umkämpften Vorstadt Butscha im Nordwesten Kiews wurden zahlreiche Leichen entdeckt. Nach ukrainischen Angaben lagen Dutzende Tote auf den Straßen. Die Entdeckungen lösten international Entsetzen aus. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schrieb auf Twitter, sie sei „entsetzt“ über den „unaussprechliche Horror in Gebieten, aus denen sich Russland zurückzieht.“
Sie verlangte eine unabhängige Untersuchung. Zugleich versicherte sie: „Kriegsverbrecher werden zur Verantwortung gezogen.“ Zuvor hatte EU-Ratspräsident Charles Michel erklärt, die EU werde bei der „Sammlung der notwendigen Beweise für die Verfolgung vor internationalen Gerichten“ helfen. Laut Berichten waren nach dem Abzug der Russen Dutzende Leichen in ziviler Kleidung auf den Straßen gelegen. Mindestens einem der Toten waren die Hände gefesselt.
„Alle diese Menschen wurden erschossen“, sagte Bürgermeister Anatoly Fedoruk. „Sie haben sie mit einem Schuss in den Hinterkopf getötet.“ Es stünden Autos auf den Straßen, in denen „ganze Familien getötet wurden: Kinder, Frauen, Großmütter, Männer“. Nach Angaben des Bürgermeisters mussten 280 Menschen in Butscha in Massengräbern beigesetzt werden, da die drei städtischen Friedhöfe noch in Reichweite des russischen Militärs lagen.
Plünderungen und Hinrichtungen
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) dokumentierte nach eigenen Angaben eine Reihe „offenkundiger Kriegsverbrechen“ der russischen Truppen - neben Kiew seien diese auch in den Regionen Tschernihiw im Norden und in Charkiw im Osten des Landes verübt worden. HRW berichtete von Vergewaltigungen, Plünderungen und Hinrichtungen. Vom russischen Präsidialamt sowie Verteidigungsministerium war zunächst kein Kommentar zu den Berichten über die in Butscha aufgefundenen Leichen zu erhalten.
Das österreichische Außenministerium zeigte sich auf Twitter entsetzt. Es versprach zugleich eine Untersuchung aller begangenen Verbrechen durch die UNO-Untersuchungskommission. Die Verantwortlichen der Verbrechen würden dafür zur Rechenschaft gezogen.
„Friedhof der russischen Hoffnungen“
Der britische Sender BBC berichtete in einem Film aus Butscha, dass Bewohner von jungen russischen Wehrpflichtigen auf der Flucht um Hilfe angefleht worden seien. „Dies ist ein Friedhof der russischen Hoffnungen, Kiew einzunehmen“, sagte ein BBC-Reporter zu Aufnahmen verkohlter Panzer und anderer Militärfahrzeuge. Er ließ eine Bewohnerin namens Maria zu Wort kommen: „Zum ersten Mal seit 38 Tagen haben wir wieder Brot.“
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat härtere Sanktionen gegen Moskau und weitere Hilfen für das ukrainische Militär angekündigt. Die Bilder der „hemmungslosen Gewalt“ aus dem Ort Butscha nahe der ukrainischen Hauptstadt Kiew nach dem Rückzug der russischen Truppen seien „unerträglich“, schrieb Baerbock am Sonntag auf Twitter. „Die Verantwortlichen für diese Kriegsverbrechen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.“
„Bilder erschüttern uns zutiefst“
Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warf Russland schwere Kriegsverbrechen vor. „Die von Russland verübten Kriegsverbrechen sind vor den Augen der Welt sichtbar“, erklärte Steinmeier am Sonntag in Berlin. „Die Bilder aus Butscha erschüttern mich, sie erschüttern uns zutiefst.“
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