Ärzte schlagen Alarm: Der Bedarf an Psychotherapie ist nicht zuletzt durch die Pandemie enorm. Aber Kassenplätze fehlen, private sind teuer. Dabei lägen Lösungen auf dem Tisch.
Schon vor der Pandemie brauchten zwei bis fünf Prozent der Bevölkerung psychotherapeutische Unterstützung: Depressive Symptome etwa treten bei bis zu einem Viertel der Bevölkerung auf, bei Kindern und Jugendlichen beträgt die Rate fast 50 Prozent. Dabei nicht zu unterschätzen: die Selbstmord-Gefahr.
Krisen und Krieg beeinflussen Österreicher zusätzlich
Nun beeinflussen Krise und Krieg die Österreicher zusätzlich: „Schlafstörungen, Albträume, Ängste und psychosomatische Symptome bringen zahlreiche Menschen an und über ihre Belastungsgrenzen“, so Fritz Riffer, ärztlicher Leiter der Psychosomatikklinik Eggenburg. Ohne Hilfe drohen „chronifizierte Krankheitsprozesse, verbunden mit langfristigen Arbeitsausfällen bis hin zu steigenden Frühpensionierungen“.
Ohne Hilfe drohen chronifizierte Krankheitsprozesse, verbunden mit langfristigen Arbeitsausfällen bis hin zu steigenden Frühpensionierungen.
Fritz Riffer, ärztlicher Leiter der Psychosomatikklinik Eggenburg
Dabei war Österreich mit dem Psychotherapiegesetz 1991 Vorreiter in Europa: Die Finanzierung, ein Gesamtvertrag, sei da schon vorgesehen gewesen, aber nie umgesetzt worden.
„Therapie für viele nicht leistbar“
Für die Betroffenen ist der Weg laut Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP) zum Kassenplatz schwer zu durchschauen, allein kaum zu bewältigen: „Sie haben schon genug damit zu tun, wieder gesund zu werden, ins Leben zu finden“, so Riffer. Wer keinen bekommt, und das ist etwa die Hälfte, muss mit Selbstbehalten von 40 bis über 100 Euro rechnen - wöchentlich: „für viele nicht leistbar“.
Die Lösung laut ÖBVP: ein Gesamtvertrag, im Idealfall ohne Kontingentierung - eben wie bei anderen ärztlichen Leistungen auch.
Das hat übrigens schon der Rechnungshof im Prüfbericht 2019 empfohlen: Da wies er auf die gestiegenen Folgekosten für Krankengeld, Rehageld und Frühpensionierungen wegen psychischer Erkrankungen hin. Die waren zwischen 2006 und 2017 auf über 300 Mio. jährlich angestiegen. Und der Bericht zeigt: Dort, wo die Psychotherapie-Dichte hoch ist, sind die Folgekosten niedriger.
Mit einem Gesamtvertrag müsste die Hälfe der Bevölkerung keinen Kostenbeitrag leisten, bei Wahltherapeuten gäbe es nur geringen Selbstbehalt - siehe Interview. So wäre für „alle Schwerkranken und sozial schwächer Gestellten Psychotherapie auf Krankenschein gesichert“.
Mit zusätzlich 100 bis 150 Mio. jährlich wäre das laut ÖBPV finanziert. Nun setzt man auf die Politik: „Wir reden viel über Corona und die psychischen Folgen - jetzt wäre doch ein günstiger Zeitpunkt!“
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