Durchgesickerte Daten des russischen Lebensmittellieferdienstes Yandex.Eats enthüllen Lieferadressen, Telefonnummern und Namen von Personen, die mit dem nationalen Inlandsgeheimdienst FSB und dem militärischen Nachrichtendienst GRU in Verbindung stehen sollen. In einem Fall liefern sie eine Spur zu einem mutmaßlichen Mittäter des Giftanschlages auf den russischen Regimekritiker Alexej Nawalny.
Die Daten des russischen Lieferdienstes Yandex.Eats waren vor gut zwei Wochen publik geworden. Für den Leak, der die persönlichen Informationen von mehr als 58.000 Kunden beinhaltet, machte der Internetgigant Yandex die „unlauteren Handlungen eines Mitarbeiters“ verantwortlich. Dem russischen Google-Rivalen droht nun eine Geldstrafe durch die Regulierungsbehörde Roskomnadzor, die seit dem Auftauchen Daten deren Verbreitung einzuschränken versucht - vergeblich.
So lieferten die Daten bereits Informationen über die exklusive Wohnung einer mutmaßlich außerehelichen Tochter von Russlands Präsident Wladimir Putin. „Dank der durchgesickerten Yandex-Datenbank wurde eine weitere Wohnung von Putins Ex-Geliebter Swetlana Krivonogikh gefunden“, twitterte die russische Politikerin und Unterstützerin von Regimekritiker Alexej Nawalny, Ljubow Sobol. „Dort hat ihre Tochter Luiza Rozova ihr Essen bestellt. Die Wohnung ist 400 m² groß und etwa 170 Millionen Rubel [umgerechnet rund 1,8 Millionen Euro] wert!“
Spur zu Giftanschlag auf Nawalny
Die Daten verraten jedoch noch mehr. Das niederländische Investigativ-Netzwerk Bellingcat konnte durch einen Abgleich mit Daten aus früheren Recherchen unter anderem den bis dato unbekannten Besitzer einer Telefonnummer identifizieren, der im Vorfeld des Giftanschlags auf Nawalny im August 2020 von einem Forschungsinstitut in einem Moskauer Vorort aus mit den Offizieren des russischen Inlandsgeheimdiensts FSB telefonierte, die für den Anschlag verantwortlich zeichnen sollen.
„Es ist unklar, welche Rolle diese Person bei der Organisation und Durchführung von Nawalnys Vergiftung genau gespielt hat, aber er telefonierte mit einem der FSB-Mitglieder in der Nacht der Vergiftung und am folgenden Morgen“, schreibt Bellingcat.
Draht zum Militärgeheimdienst GRU
Bei einem Abgleich mit Telefonnummern, die mit dem russischen Militärnachrichtendienst GRU in Verbindung stehen, stießen die Experten außerdem auf einen Mann namens Yevgeny, der als Kontakt eines hochrangigen GRU-Offiziers gilt. „Nachdem wir nach seiner Telefonnummer gesucht hatten, fanden wir eine Bestellung, die er (...) in Moskau aufgegeben hatte. Diese Adresse ist öffentlich als im Besitz des konsularischen Dienstes des Außenministeriums aufgeführt“, berichtete Bellingcat.
Weitere Recherchen zur Person durch durchgesickerte Fahrzeugregistrierungsinformationen führten zu einem Nummernschild eines Luxusautos, das 2019 in Kiew fotografiert wurde. „Es ist unklar, ob Yevgeny immer noch mit dem GRU verbunden ist oder ob er einen neuen Job beim Außenministerium hat, aber dank der Informationen, die in seiner Essensbestellung offenbart wurden, ist es möglich, seine jüngsten Aktivitäten weiter zu untersuchen.“
Hinweise auf Militär- und Geheimdiensteinrichtungen
Das Investigativ-Netzwerk konnte mithilfe der durchgesickerten Bestelldaten zudem zwei Adressen aufspüren, die dem GRU bzw. dem FSB zuzuschreiben sind. Entsprechende Hinweise lieferten nebst von den Bestellenden abgespeicherte Standortkoordinaten auch Anweisungen, wie bzw. wohin Lieferant das Essen zuzustellen hatten.„ Gehen Sie zu den drei Boom-Barrieren in der Nähe der blauen Kabine und rufen Sie an. Nach der Haltestelle für Bus 110 bis zum Ende“, zitierte Bellingcat aus einer Bestellung. In einer anderen hieß es: „Geschlossenes Gebiet. Gehe zum Checkpoint. Rufen Sie [Nummer] zehn Minuten vor Ihrer Ankunft an!“
Über die Suche nach dem Wort „Militäreinheit“ im Feld „Lieferanweisungen“ förderte Bellingcat zum „einige Dutzend Ergebnisse“ zutage, die darauf hindeuteten, dass der Lieferort eine Militärbasis sei und das Essen an einem Kontrollpunkt am Eingang abgegeben werden müsse. In einigen Fällen seien die spezifischen Nummern der Militäreinheiten vermerkt worden, hieß es.
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