Auslieferung fraglich

So könnte Putin vor einem Kriegsgericht landen

Ausland
04.04.2022 13:50

Nicht zuletzt aufgrund der ans Tageslicht gekommenen Gräueltaten in der ukrainischen Kleinstadt Butscha wird der Ruf immer lauter, dass sich Russlands Präsident Wladimir Putin wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen vor einem internationalen Strafgericht verantworten muss. Während so manche Experten ein solches Verfahren eher für unwahrscheinlich halten, da Russland etwa das Gericht in Den Haag nicht anerkennt. Ein Prozess wäre aber sehr wohl möglich: Dazu müsste er aber zunächst an ein entsprechendes Gericht ausgeliefert werden.

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH, englisch: ICC) in Den Haag wäre das zuständige Gericht. Es verfolgt individuelle Verdächtige wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord und hat für das Gebiet der Ukraine ein Mandat. Chefankläger Karim Khan leitete bereits Ermittlungen zu Kriegsverbrechen in der Ukraine ein und schickte ein Team ins Kriegsgebiet. Unklar ist, ob die Ermittler auch schon nach Butscha gereist sind.

Entscheidende Beweise
Entscheidend ist, dass so früh und so umfassend wie möglich Beweise gesammelt werden. Denn sie sind die Grundlage für eine Anklage. Auch die Staatsanwaltschaft der Ukraine, ein europäisches Ermittlerteam und Menschenrechtsorganisationen sammeln Beweise wie etwa Fotos, Videos, Munitionsreste und Aussagen von Augenzeugen.

Putins Umfeld bestreitet weiterhin vehement jegliche Kriegsverbrechen in der Ukraine. (Bild: APA/AFP/SPUTNIK/MIKHAIL KLIMENTYEV)
Putins Umfeld bestreitet weiterhin vehement jegliche Kriegsverbrechen in der Ukraine.

Die Ankläger müssen zunächst nachweisen, dass Kriegsverbrechen begangen wurden. Das heißt zum Beispiel, dass die Opfer von Butscha tatsächlich wehrlose Bürger waren. Darauf deuten die Fotos hin, und das bestätigen Augenzeugen.

Schuldfrage muss geklärt werden
Die zweite Frage, die Ermittler beantworten müssen, lautet: Wer sind die Täter? Waren es tatsächlich russische Soldaten, dann unterliegen sie der offiziellen Kommandostruktur. In dem Fall können auch ihre Kommandanten angeklagt werden.

Wusste Putin tatsächlich Bescheid?
Die dritte Frage für die Ankläger lautet: Wussten die militärisch und politisch Verantwortlichen wie etwa Putin von den Kriegsverbrechen der Soldaten? Diese Frage zu klären, wird am schwierigsten. Das Weltstrafgericht will militärisch und politisch Verantwortliche strafrechtlich verfolgen. Auch Staats- und Regierungschefs können sich nicht auf ihre Immunität berufen. Doch es ist sehr schwierig, deren Verantwortung auch nachzuweisen.

Kaum Reisen ins Ausland mehr möglich
Erst wenn der Verdacht ausreichend begründet und mit Beweisen belegt ist, kann Chefankläger Khan einen internationalen Haftbefehl beantragen. Es scheint aber ausgeschlossen, dass Russland den Präsidenten an Den Haag ausliefern würde. Voraussetzung dafür wäre wohl ein Regimewechsel in Moskau.

Doch egal dürfte Putin ein Haftbefehl dennoch nicht sein. Denn jeder Vertragsstaat des Gerichts, darunter Österreich, wäre verpflichtet, ihn bei der Einreise festzunehmen und dem Gericht in Den Haag zu überstellen. Seine Bewegungsfreiheit wäre dann extrem eingeschränkt, er wäre noch isolierter als jetzt.

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