Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien spricht zum heutigen Weltgesundheitstag im „Krone“-Interview über neue Covid-Varianten, monetäre Anreize für das Impfen und was uns im Herbst droht. Sein Ausblick ist nicht besonders rosig.
„Krone“: Herr Hutter, Frühlingsgefühle liegen in der Luft, die Infektionszahlen sinken. Sind wir drauf und dran, die Pandemie hinter uns zu lassen?
Hans-Peter Hutter: Definitiv nein. Die Pandemie verbreitet sich nach wie vor örtlich und zeitlich unbegrenzt weiter.
Nach zwei Jahren fragen wir uns alle: Wann endlich ist ein Ende in Sicht?
Das Virus ist gekommen, um zu bleiben. Es wird aber weniger gefährlich, dafür noch infektiöser werden. Bis es dann zu einem Erkältungsvirus wird, von dem eine weit geringere Gefahr ausgeht. Ungewiss ist, ob dieser Zustand dieses, nächstes oder übernächstes Jahr eintreten wird. Zumal SARS-CoV-2 enorm infektionsfreudig ist.
Erwartet uns eine neue Variante im Herbst?
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass eine neue Variante auftaucht, die durch die Reisetätigkeiten im Sommer wieder nach Europa eingeflogen wird.
Können wir das Risiko einer Mutation minimieren?
Die Gefahr, dass das Virus mutiert, ist dort besonders groß, wo wenig Menschen immunisiert sind, unkontrolliert Ansteckungen passieren und die Bevölkerung viele Tierkontakte hat, also etwa in Afrika oder in Südamerika. Dass die Impfdosen auf der Welt so ungerecht verteilt sind, ist einer der Hauptgründe dafür, dass uns Corona noch langfristig beschäftigen wird.
Was kann Österreich tun?
Wir können uns nur bestmöglich auf den Herbst vorbereiten. Neun Monate nach der dritten Impfung muss es eine vierte Impfung geben, aber nicht früher, wie uns das Beispiel Israel lehrt. Daher ist es notwendig, die Gültigkeit des Grünen Passes, der bei vielen Personen im Sommer ausläuft, zu verlängern. Zudem braucht es weiterhin begleitende Maßnahmen, etwa das Beibehalten der Maskenpflicht in den Öffis. Und auch die Schulen müssen sich über den Sommer gut vorbereiten, etwa durch den Einbau von Entlüftungsanlagen.
Soll auch weiterhin breit getestet werden?
Unbedingt. Toll funktionierende Testsysteme mitten in der aktuellen Welle zurückzufahren, wo ohnehin bereits das Contact Tracing in Trümmern lag und Erstimpfungen sich auf einer Nulllinie bewegten, war für mich eine völlig unverständliche Entscheidung. Und hat auch in der Bevölkerung dazu geführt, dass Entscheidungen mehr und mehr angezweifelt werden. Doch genau das ist eines der grundlegendsten Probleme.
Inwiefern?
Mit dem ständigen Hin und Her bei den Maßnahmen und beim Thema Impfpflicht haben die Entscheidungsträger massiv an Vertrauen verloren, die fehlende Glaubwürdigkeit ist toxisch für den Herbst.
Ist dieses Vertrauen zurückzugewinnen?
Nur, wenn jetzt rasch eine gut durchdachte Impfkampagne für die vierte Teilimpfung entwickelt wird. Ich finde hier auch monetäre Anreize sinnvoll. Denn die Impfung schützt sehr gut vor schwerer Erkrankung und sorgt dafür, dass weniger infizierte Menschen ins Spital oder gar auf die Intensivstation kommen.
Es gibt viele Menschen, die trotz dreier Impfungen symptomatisch an Omikron erkrankten, denen es gar nicht gut ging. Wie erklärt man ihnen, dass die Stiche trotzdem sinnvoll waren?
Wer einige Tage mit Fieber daheim gelegen ist, war nicht schwer krank. Das ist ein entscheidender Punkt. Schwer krank ist, wer ins Krankenhaus muss.
Stehen uns weitere Lockdowns bevor?
Ich bin wie schon letzten Herbst der Meinung, dass Lockdowns durch 1G-, 2G- oder 2G-plus-Regelungen ersetzbar sind.
Haben Sie selbst schon eine Corona-Erkrankung hinter sich?
Nein, auch meine Familie ist bisher verschont geblieben.
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