Sorge um Neutralität
Der Kanzler reist ins Kriegsgebiet
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) trifft Samstagvormittag in Kiew ein und wird von Präsident Wolodymyr Selenskyj empfangen. Die Reise des Kanzlers ist historisch - und äußerst heikel.
Es ist eine historische Reise, die der Bundeskanzler am Samstag unternimmt. Als erster österreichischer Regierungschef in der Zweiten Republik reist Nehammer am Samstag in ein Kriegsgebiet.
Der Kanzler wird am Vormittag in Kiew erwartet. Anschließend trifft Nehammer mit Ukraines Präsident Selenskyj zusammen. Nehammer: „Mein Besuch dient auch dazu, unsere Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung zu zeigen.“
Auch Besuch in Butscha geplant
Im Anschluss gibt es ein Gespräch mit Kiews Bügermeister Vitali Klitschko, davor besucht der Kanzler Butscha, in dem russische Soldaten ein Massaker an der Zivilbevölkerung verübt haben sollen. „Ich werde mir selbst ein Bild von der Lage vor Ort machen. Österreich wird weiterhin helfen, wo es kann“, sagte der Kanzler.
„Was in der Ukraine und im Besonderen in vielen Städten der Ukraine geschieht, ist ein schrecklicher Angriffskrieg zulasten der Zivilbevölkerung. Die bekannt gewordenen Kriegsverbrechen müssen lückenlos aufgeklärt werden, und zwar von unabhängigen und internationalen Experten“, erklärte Nehammer. „Die Ukraine kann sich auf die freie Welt verlassen, diese Botschaft haben wir nach Kiew gebracht.“
Die Ukraine kann sich auf die freie Welt verlassen, diese Botschaft haben wir nach Kiew gebracht.
Bundeskanzler Karl Nehammer
Der Kanzler stellte klar: „Es ist wichtig, dass wir im Rahmen unserer Neutralität der Ukraine sowohl auf humanitärer als auch auf politischer Ebene beistehen.“
Historisch, aber heikel
Apropos Neutralität: So historisch der Besuch eines österreichischen Bundeskanzlers in der Ukraine ist, so heikel ist er auch. „Es ist mit Sicherheit ein Wendepunkt in der österreichischen Geschichte, weil unsere Neutralität noch nie so gefährdet war“, erklärte der Historiker und Experte für österreichisch-russische Beziehungen von der Universität Wien, Hannes Leidinger, im „Krone“-Gespräch.
Russland, als Signatarmacht des Staatsvertrags und seitdem starker Befürworter der österreichischen Neutralität, wird den Besuch beim Kriegsgegner argwöhnisch beobachten und jedes Wort des Kanzlers auf die Goldwaage legen. „Für das Angebot der humanitären Hilfe und einer klaren Ächtung der Verletzung des Friedens durch Russland müsste der Kanzler nicht nach Kiew fahren“, sagt Experte Leidinger.
So ist es aber eine offene Unterstützung für eine Kriegspartei.
Position als „neutraler Vermittler“ auf dem Spiel
Wie wird Russland reagieren? Leidinger: „Im schlimmsten Fall wird Russland Österreich nicht mehr als neutral anerkennen.“ Was das realistisch bedeutet, ist noch unklar. „Österreich hat aber auf jeden Fall seine Position als neutraler Vermittler verloren“, sagte der Experte und prophezeite eine längere „Eiszeit in den russisch-österreichischen Beziehungen“.
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