Corona, Putins Krieg, Teuerung, Klimaschock: eine enorme Belastung für die Seele. Doch der Sturm macht uns auch stärker.
Jeden Abend schaltet Helmut B. (Name geändert) aus Linz den Fernseher ein und schaut Nachrichten - ein seit Jahrzehnten lieb gewonnenes Ritual. Krisen gab es immer, so Helmut, doch meist spielten sich die fernab von der gemütlichen Couch im Salzkammergut ab. Nun ist das anders: Er sieht schreckliche Bilder von Putins Krieg in der Ukraine, gefolgt von den uns seit zwei Jahren begleitenden Corona-Nachrichten.
Seit einiger Zeit reicht es dem 75-Jährigen, immer öfter schaltet er den Fernseher rasch wieder aus. Der Grund: Er hat genug von den Krisen. So wie Herrn B. geht es aktuell vielen Österreichern. Erst zermürbt uns eine Pandemie, wie wir sie uns nie hätten vorstellen können. Dann lässt der Kreml-Zar Bomben auf ein Land, dessen Grenze nur wenige Hundert Kilometer von unserer entfernt liegt, regnen.
Die Folge ist eine Rekord-Inflation samt Teuerung, begleitet von einer Energiekrise, wie sie kaum einer noch erlebt hat. Das lässt die Angst vor dem Abrutschen in die Armut wachsen. Hinzu kommen knapper werdende Lebensmittel und leere Regale. Von den politischen Schlammschlachten und Korruptionseskapaden einmal ganz abgesehen.
Störungen, Ängste und Anstieg an Depressionen
Was macht das mit uns? Psychologin Christa Schirl beobachtet die Folgen in ihrer Praxis. Schlafstörungen musste fast jeder in den vergangenen zwei Jahren erleben. „Wir sind schlapp, müde, als wäre alle Energie ausgeronnen“, so die Therapeutin. Alle Arten von Ängsten, vor allem die Existenzangst, sind im Vormarsch. Eine enorme Belastung für die Seele.
Wir sind von Sicherheit ausgegangen. Krisen fordern uns auf, Muskeln zu entwickeln, resilient zu werden.
Psychologin Christa Schirl
Wie viele schlechte Nachrichten ertragen wir noch? Eine Frage, die sich viele stellen. Die Antwort ist nicht einfach, aber klar ist, dass Krisen im Herzen Europas, anders als in anderen Teilen der Welt, in den vergangenen Jahrzehnten des Friedens nicht auf der Tagesordnung standen. „Wir sind von Sicherheit ausgegangen. Krisen fordern uns auf, Muskeln zu entwickeln, resilient zu werden“, so Schirl. Also widerstandsfähig im Umgang mit Krisen.
Das sei aber erlernbar, meint Schirl. Denn in jeder Krise liege die Chance, stärker zu werden. Ganz im Sinne eines Zitats aus Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf. Auf die Warnung „Der Sturm wird immer stärker“, meint diese: „Das macht nichts. Ich auch.“
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