„Krone“ in Kiew

Nehammers riskante Solidarität im Kriegsgebiet

Politik
09.04.2022 16:07

Der nicht nur für Leib und Leben waghalsige „Solidaritätsbesuch“ von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) beim ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gefährde die Neutralität, so Kritiker. „Österreich ist neutral, aber nicht, wenn es darum geht, Verbrechen zu benennen“, sagte der Kanzler am Samstag zu Selenskyj.

Das Lauteste in Kiew ist die Stille. Es regnet, kaum ein Mensch ist auf der Straße, als kurz vor Mittag der Sonderzug am Südbahnhof von Kiew einrollt. Per Konvoi geht es in den Präsidentenpalast, wo Kanzler Nehammer zum historischen Besuch mit Ukraines Präsident Selenskyj zusammentrifft.

„Vorsicht, Minen!“
Am Eingangstor des Palastes hängt ein Transparent: „Vorsicht, Minen!“ Ob das Gebiet tatsächlich vermint ist? Ein Sicherheitsbeamter zuckt mit den Achseln. Es dient wohl eher als Warnung, sich nicht uneingeladen dem Palast zu nähern, der mit Panzersperren und aufgetürmten Sandsäcken geschützt wird.

Historischer Moment in Kiew, 45 Minuten Austausch: Nehammer (li.) traf am Samstag mit Selenskyj zusammen. (Bild: Dragan Tatic)
Historischer Moment in Kiew, 45 Minuten Austausch: Nehammer (li.) traf am Samstag mit Selenskyj zusammen.

Ukraine glaubt an Sieg, dankt Österreich für Hilfe
45 Minuten dauerte das Gespräch, trotz der erwarteten Offensive russischer Truppen im Osten des Landes ist sich Selenskyj sicher: „Das wird ein schwerer Kampf, aber wir glauben an unseren Sieg.“

Er dankte Nehammer explizit für den Besuch und für die Unterstützung Österreichs, vor allem auf dem humanitären Sektor: „Nicht jeder kann Waffen liefern. Aber jeder kann nach seinen Möglichkeiten helfen. Es ist ein schönes Signal, wenn führende Persönlichkeiten uns besuchen. Das zeigt, sie unterstützen uns nicht nur mit Worten.“

Nehammer: „Krieg für Österreich inakzeptabel“
20 Rettungsfahrzeuge, zehn Feuerwehrlastwagen, Treibstoff und andere Katastrophenschutzausrüstung aus allen neun Bundesländern hatte der Kanzler der Ukraine angekündigt, Lieferung demnächst: „Österreich ist sich der Tatsache bewusst, dass sich das ukrainische Volk gerade einer der schwersten Prüfungen unterziehen muss.“

Video: Nehammer bei Selenskyj in Kiew

Der von Russland ausgelöste Krieg sei für Österreich „völlig inakzeptabel: Wir sind militärisch neutral, aber nicht, wenn es darum geht, Verbrechen zu benennen, und wenn es darum geht, dort hinzugehen, wo tatsächlich Unrecht passiert.“

Selenskyj forderte seinerseits weitere Sanktionen gegen Russland, die jetzige Wirkungskraft wird skeptisch gesehen, wohl bewusst, dass viele EU-Staaten damit Geld verlieren: „Aber jede Kopeke, jeder Dollar, jeder Euro finanziert die russische Kriegsmaschine und richtet sich gegen das Volk der Ukraine.“

(Bild: APA/AFP/RONALDO SCHEMIDT)

Österreich trage - so Nehammer - weiterhin die EU-Sanktionen mit, es werde noch weitere, zielgerichtetere Sanktionspakete geben, „mit dem Ziel, dass der Krieg endet“. Unter anderem könnte die Lieferung technischer Kleinteile, die für militärische Fluggeräte notwendig sind, nach Russland verboten werden.

Kritik an Weigerung bei Gasimport-Stopp
Von ukrainischer Seite auf Österreichs Weigerung, einem Gasimportstopp aus Russland zuzustimmen, angesprochen, unterstrich der Kanzler die Position, dass die Sanktionen jene treffen sollten, gegen die sie gerichtet seien.

Handshake zu Beginn des Treffens (Bild: APA/BUNDESKANZLERAMT/DRAGAN TATIC)
Handshake zu Beginn des Treffens

Ein Ende der Gaslieferungen könnte aber in Österreich schwerwiegende wirtschaftliche und dann auch soziale Folgen haben. Eine Gefahr, dass die Sanktionen von Firmen wie der in Russland engagierten Raiffeisen Bank International (RBI) umgangen werden könnten, verneinte Nehammer: „Das würde in Österreich auf keinerlei Akzeptanz stoßen. Zudem ist die RBI aber auch ein großer Arbeitgeber in der Ukraine.“

Nehammer bei EU-Beitritt sehr zurückhaltend
Selenskyj sprach Nehammer auch auf den EU-Beitritt der Ukraine an, hier gab es im Gegensatz zu EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach wie vor Zurückhaltung. Im „Vorhof“ der Europäischen Union würden bereits einige Länder warten, Schnellschüsse würden da nur zu Verwerfungen führen.

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