Nehammer in Butscha

Der Regen hat den Geruch des Todes weggespült

Politik
09.04.2022 19:26

Nach dem Besuch beim ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hat die Fahrt von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Samstag weiter nach Butscha geführt. Jenem Ort nahe Kiew, der zum grausamen Zeugnis des Völkermordes wurde. Eine Reportage von „Krone“-Redakteur von Clemens Zavarsky.

Sie gingen von Wohnung zu Wohnung, von Haus zu Haus. Nicht nur Soldaten, auch schwarz gekleidete Männer. Vermutlich Polizeieinheiten. „Zatschistka“ nennt sich das, was diese namenlosen Bestien in Butscha angerichtet haben sollen: „Säuberung.“

400 Zivilisten ermordet
Bis zu 400 Zivilisten sind in der bislang völlig unbekannten Stadt heimtückisch ermordet worden. Nicht nur durch Artillerie- und Raketenfeuer, sondern gezielt erschossen. Aus nächster Nähe. Und dann einfach liegen gelassen.

(Bild: APA/EDGAR SCH†TZ)
Am Samstag besuchte Kanzler Karl Nehammer den ukrainischen Ort Butscha, wo nach dem Abzug Russlands über 300 Tote gefunden worden waren. (Bild: BUNDESKANZLERAMT/DRAGAN TATIC)
Am Samstag besuchte Kanzler Karl Nehammer den ukrainischen Ort Butscha, wo nach dem Abzug Russlands über 300 Tote gefunden worden waren.

Am Weg dorthin passieren wir einen ehemals schmucken Vorort. Die Häuser sind verlassen. Die Vorhänge zugezogen. Im Slalom geht die Fahrt durch Panzersperren - es fühlt sich bedrohlich an. Je näher man an die Kleinstadt nahe Kiew herankommt, desto grausamer werden die unübersehbaren Zeugnisse des Krieges. Ausgebrannte russische Panzer, zerstörte Häuser und Fahrzeuge, manche Dörfer im Umkreis wurden dem Erdboden gleichgemacht.

Bewohner sind gezeichnet
Noch immer finden die durch unerträglichen Schmerz gezeichneten Bewohner von Butscha jeden Tag neue Leichen. Der Regen hat den Geruch des Todes weggespült. Da und dort taucht aber noch ein Körperteil auf. Augenzeugen erzählen verzweifelt von dem Grauen vor wenigen Tagen. Ihre Berichte hören sich unerträglich an.

(Bild: APA/EDGAR SCH†TZ)

Neben der Sankt-Andreas-Kathedrale wurden Gruben ausgehoben. In schwarzen Plastiksäcken werden die Toten bestattet. Vorübergehend. Bis man ihnen ein ordentliches Begräbnis ermöglichen kann, vergehen noch Tage - oder Wochen.

Zerschossene Häuser
Kanzler Karl Nehammer steht fassungslos vor einem Massengrab. Dort wurden 40 Leichen exhumiert, ob es noch mehr Körper sind, das weiß niemand so genau. Ukrainische Militärs schildern die Lage, zeigen auf zerschossene Häuser, unter deren Ruinen sich noch viele Leichen befinden sollen.

(Bild: BUNDESKANZLERAMT/DRAGAN TATIC)
Zerstörtes Haus - darunter liegen noch viele Leichen. (Bild: APA/EDGAR SCH†TZ)
Zerstörtes Haus - darunter liegen noch viele Leichen.

Die russische Seite behaupte, die Taten seien von Ukrainern begangen worden, um sie den Russen in die Schuhe zu schieben. So erzählen es lokale Vertreter der Behörden. Es gebe aber unter anderem Videos, die beweisen würden, dass die Menschen schon vor dem Abzug der russischen Truppen ermordet worden seien. Mit zusammengebundenen Händen durch Genickschüsse etwa - oder einfach im Auto erschossen. Moskau dementiert dies alles heftig, internationale Geheimdienste sammeln aber eindeutige Beweise.

Die Russen sind abgezogen, auch unsere Fahrt geht zurück nach Kiew. Der Horror bleibt.

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