Heftiger Kritik sehen sich die Entwickler einer neuen App im Vereinigten Königreich ausgesetzt, die es Nutzern ermöglicht, mittels künstlicher Intelligenz die Geschwindigkeit eines vorbeifahrenden Autos zu schätzen. Während die Macher hoffen, dadurch die Verkehrssicherheit zu erhöhen, werfen ihnen Gegner „Stasi-Methoden“ vor.
„Speedcam Anywhere“ soll es Anwohnern, Fußgängern und Radfahrern im städtischen Raum ermöglichen, Verkehrsdelikte in ihrer Umgebung zu dokumentieren. Zugleich, berichtet der „Guardian“, hoffen ihre Entwickler, die einst an britischen Spitzenuniversitäten tätig waren, dass die Anwendungen die Polizei ermutige, „Geschwindigkeitsüberschreitungen ernster zu nehmen“.
Um diese festzustellen, müssen Nutzer der bis dato nur für Googles Android erhältlichen App ein kurzes Video eines vorbeifahrenden Fahrzeugs hochladen. Anhand von dessen Nummernschild ermittelt die Anwendung über die öffentlich zugängliche Zulassungsdatenbank die Marke und das Modell des Fahrzeugs, um anschließend den Abstand zwischen den Achsen des Autos zu ermitteln und mit dem Videomaterial abzugleichen.
„Ich denke, dies ist ein Schritt auf dem Weg, unsere Straßen sicherer und zugänglicher für alle zu machen“, sagt der Gründer der App, Sam, der gegenüber dem „Guardian“ lieber anonym bleiben möchte. Sie erhielten derzeit „ziemlich beleidigende E-Mails“, schildert er. „Einige Leute halten es für eine gute Idee, andere denken, dass es uns in einen Überwachungsstaat verwandelt.“
Stasi-Methoden
In einer Online-Bewertung der App heißt es: „In Ostdeutschland wurden die Bürger ermutigt, ihre Nachbarn bei der Stasi zu melden, wenn sie auch nur das kleinste gesellschaftliche Vergehen begangen hatten. Herzlichen Glückwunsch zur Schaffung einer modernen Version davon. Falls Sie es nicht gemerkt haben, ich bin sarkastisch. Diese App ekelt mich an.“
„Kein persönlicher Rachefeldzug“
Kritik, die Sam zumindest teilweise nachvollziehen kann: „Ich kann beide Seiten verstehen, aber ich denke, wenn man Geschwindigkeitsbegrenzungen einführt, dann ist es Gesetz, dass man sie einhält, und man sollte das Gesetz durchsetzen. Das ist kein persönlicher Rachefeldzug gegen irgendjemanden, es geht nur darum, wie wir unsere Straßen sicher machen können.“
Kein Beweismittel
Der App-Entwickler verweist gegenüber der Zeitung auf jährlich Tausende von Schwerverletzten im Straßenverkehr und ist überzeugt, diese Anzahl durch die abschreckende Wirkung seiner App reduzieren zu können. Rechtliche Handhabe haben Nutzer der Anwendung allerdings nicht: Da der Algorithmus von „Speedcam Anywhere“ dem Bericht nach nicht vom Innenministerium geprüft wurde, handelt es sich rechtlich gesehen nicht um eine Radarkamera. Demnach könne die App keine ausreichenden Beweise für eine Strafverfolgung wegen Geschwindigkeitsübertretung liefern, hieß es.
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