Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat am Montagnachmittag den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau zu einem Gespräch über den Ukraine-Krieg getroffen. Der Kanzler, der als erster EU-Regierungschef seit Kriegsausbruch nach Russland reiste, bezeichnete die Begegnung als „sehr direkt, offen und hart“. Die Reaktionen im In- und Ausland fallen zwiespältig aus.
Seit Kriegsausbruch war kein Regierungschef aus der EU bei Putin in Moskau, es gab nur telefonischen Kontakt etwa mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron und dem deutschen Kanzler Olaf Scholz. Lediglich der israelische Ministerpräsident Naftali Bennett war Anfang März als Vermittler zu einem Treffen mit Putin nach Moskau gereist.
An Nehammers Initiative gab es Kritik im In- und Ausland, aber auch Lob. „Ich glaube nicht, dass Putin ansprechbar ist“, sagte der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis am Montag beim EU-Außenministerrat in Luxemburg laut der Nachrichtenagentur Reuters. Er forderte westliche Politiker auf, lieber in die Ukraine zu reisen. Nehammer war am Samstag bereits auf Ukraine-Mission gewesen.
„Erwartungen waren nicht sehr hoch“
Laut dem finnischen Außenminister Pekka Haavisto waren die Erwartungen an das Treffen Nehammers mit Putin nicht sehr hoch. „Die Reise bezieht sich vor allem auf die Friedensbemühungen und auf die humanitäre Situation. Natürlich ist es wichtig, dass die Kontakte aufrecht bleiben, aber sehr hohe Erwartungen scheint Österreich nicht zu haben“, zitierte die finnische Nachrichtenagentur STT Haavisto, der am Rande des EU-Außenministertreffens in Luxemburg sprach.
FPÖ-Chef überraschend handzahm
Die Grünen gaben sich bezüglich der Reise zurückhaltend bis kritisch. Die Opposition in Österreich zeigte sich skeptisch über einen Erfolg Nehammers. FPÖ-Chef Herbert Kickl war überraschend handzahm. Er begrüßte sogar Nehammers Vermittlungsversuche bei Putin.
Scholz begrüßt Kanzler-Reise
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) verteidigte Nehammers Initiative. „Jede Stimme, die Putin verdeutlicht, wie die Realität außerhalb der Mauern des Kremls wirklich aussieht, ist keine verlorene Stimme“, so der Minister am Montag vor einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen in Luxemburg. Die ehemalige ÖVP-Außenministerin und langjährige Diplomatin Ursula Plassnik zollte dem rot-weiß-rote Regierungschef Respekt. Angesichts eines drohenden verheerenden russischen Angriffs auf die Ostukraine müsse jede noch so winzige Chance, in Moskau Gehör zu finden, aktiv genützt werden, erklärte sie der APA am Montagabend. „Dieser Verantwortung ist Bundeskanzler Nehammer nachgekommen.“
Nehammer sei kein Träumer, sondern ausgebildeter Soldat, und habe als Innenminister gelernt, mit harten Sicherheitsfragen umzugehen, charakterisierte die Ex-Politikerin ihren Parteifreund. „Dass er sich nicht mit Ferndiagnosen und Appellen begnügt, sondern Präsident Putin Auge in Auge seine Meinung sagt, finde ich sehr beachtlich und mutig“, betonte sie. Dies verdiene Respekt.
Auch der deutsche Bundeskanzler Scholz begrüßte das Treffen. Er unterstütze alle diplomatischen Bemühungen, um den Krieg zu beenden, hieß es vonseiten der deutschen Regierung laut der Nachrichtenagentur Reuters.
Grüne: „Das hat mit Diplomatie nichts zu tun“
Bei den Grünen löste Nehammer mit seinem Treffen mit Putin keine Begeisterung aus. Vorausgesetzt, die Reise sei mit der EU abgestimmt, „könnte es einen Versuch wert sein“, reagierte Vizekanzler Werner Kogler zurückhaltend. „Nicht gutheißen“ will die grüne Außenpolitik-Sprecherin Ewa Ernst-Dziedzic den Besuch bei Putin: „Das hat mit Diplomatie nichts zu tun.“
Lob aus Ungarn für Nehammer
Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto betonte, jegliche Kontaktaufnahme mit Russland sei erfreulich. Denn diese persönliche Kontaktaufnahme sichere das Fortbestehen der Diplomatie und gebe Hoffnung darauf, dass der Krieg nach einiger Zeit auf diplomatischem Wege beendet werden könne, so der Minister am Montag laut der ungarischen Nachrichtenagentur MTI. Die zuvor als sehr russlandfreundlich geltende rechtsnationale ungarische Regierung von Viktor Orban trägt die EU-Sanktionen zwar mit, versucht aber auch, die Kontakte mit Moskau aufrechtzuerhalten.
Jegliche Kontaktaufnahme mit Russland ist erfreulich.
Peter Szijjarto, Außenminister von Ungarn
Die Europäische Kommission teilte mit, sie erwarte gespannt die Ergebnisse des Treffens. „Das, worauf es ankommt, ist, dass die gemeinsame Position der Europäischen Union, die in Versailles und beim Europäischen Rat festgelegt worden ist, klar wiedergegeben wird“, sagte der EU-Kommissionsvertreter in Wien, Martin Selmayr. Am wichtigsten sei die Botschaft, dass man „die völkerrechtswidrige Aggression Russlands in der Ukraine“ klar verurteile.
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