Der Besuch von Bundeskanzler Karl Nehammer bei Russlands Machthaber Wladimir Putin hat nicht nur national für ein gewisses Kopfschütteln gesorgt. Die internationale Presse geht mit Nehammer nicht gerade schmeichelhaft ins Gericht. Da ist von einer „naiven Risikomission“ und „zu viel Ehrgeiz“ die Rede, auch Nehammers Selbstbild wird infrage gestellt. Auch das Risiko, dass die Russen den Kanzlerbesuch propagandistisch ausschlachten könnten, wird vielfach zitiert.
So schreibt etwa die „Süddeutsche Zeitung“ am Dienstag: „Was immer Bundeskanzler Karl Nehammer beflügelt haben mag, sich auf eine ,Mission impossible‘ nach Moskau zu begeben, könnte mit diesem Selbstbild zu tun haben. Und doch wäre der ÖVP-Politiker besser beraten gewesen, es nicht zu tun. (...) Moralisch sein, aufklären - beides ist sehr löblich und doch vor allem sehr naiv. Die Kriegsverbrechen sind gewollt. Die Realität ist bekannt.“
„Nehammer neigt zu impulsiven Auftritten“
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ nennt den Kanzler „impulsiv“: „Nach eigenen Angaben war es Nehammers Idee, danach auch nach Moskau zu reisen. Sie sei ihm gekommen, als er - ebenfalls spontan - beim Telefonieren mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die Fahrt nach Kiew verabredet hatte. Das ist nicht unglaubwürdig. Nehammer neigt zu impulsiven Auftritten.“
Von einer „Risikomission“ spricht dagegen die „Welt“: „Vor seiner Abreise nannte der Kanzler seine Reise eine ,Risikomission‘. Risiken birgt dieser Besuch in der Tat, zum Beispiel, sich lächerlich zu machen und propagandistisch missbraucht zu werden.“
„Gefahr, dass Russland das Treffen ausschlachtet“
Auch die „Neue Zürcher Zeitung“ schlägt in diese Kerbe: „Der Gefahr, dass Russland das Treffen propagandistisch ausschlachtet, beugte die österreichische Seite immerhin vor, indem sie Bilder, Filmaufnahmen und auch eine Pressekonferenz untersagte. Das ändert aber nichts an dem Signal, das Wien aussendet und das auch die russischen Medien verbreiten werden: Ein westlicher Regierungschef macht seine Aufwartung in Moskau, Putin ist nicht isoliert, die Einheit der EU könnte bröckeln.“
Noch weniger charmant drücken es die italienischen Medien aus. So schreibt etwa die römische „La Repubblica“: „Nehammer ist mit einer viel zu ehrgeizigen Liste von Zielen in Moskau eingetroffen: Eröffnung humanitärer Korridore, eine Waffenruhe und Ermittlungen über die Kriegsverbrechen russischer Truppen in der Ukraine. Der österreichische Bundeskanzler ist mit eingezogenem Schwanz wieder aus Moskau abgefahren.“
Der österreichische Bundeskanzler ist mit eingezogenem Schwanz wieder aus Moskau abgefahren.
Die italienische Zeitung "La Repubblica"
Die Turiner „La Stampa“ spricht von einer „gescheiterten Mission“ Nehammers: „Sein Besuch hat zu keinen Resultaten geführt. Viele haben im Ausland und in der Heimat Nehammers Besuch kritisiert, die Ukrainer in erster Linie. Doch (der deutsche Kanzler Olaf) Scholz und andere europäische Regierungschefs loben den diplomatischen Versuch.“
Der „Corriere della Sera“ aus Mailand ortet hingegen wirtschaftliche Motive hinter Nehammers Reise: „Wegen seiner starken Energieabhängigkeit von Russland zählt Österreich zu den EU-Ländern, die sich am meisten gegen ein Embargo gegen Russland wehren. Die guten Beziehungen zum Kreml haben die österreichische Regierung nicht daran gehindert, alle EU-Sanktionen gegen Russland mitzutragen.“
Im englischsprachigen Raum hält man sich mit Kommentaren zu Nehammers Reise bislang zurück, CNN und BBC berichten allerdings, dass der Kanzler das Treffen als „not a friendly visit“ bezeichnete. Allzu große Auswirkungen scheint man aber nicht zu erwarten, die „Politico“-Journalistin Stephanie Liechtenstein sprach auf Twitter von „keinem konkreten Ergebnis“. Die britische Korrespondentin Tessa Szyszkowitz ortete eine „harte Lektion in Sachen Diplomatie“ für den österreichischen Regierungschef: „Man kann keine Brücken in eine Sackgasse bauen.“
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