Einen schönen Mittwochabend.
Ich gebe zu, ich hatte zum elektronisch überwachten Hausarrest immer einen zu romantischen Zugang. Die Fußfessel war für mich keine adäquate Strafe, eher wie Urlaub bei Herbstwetter daheim. Ein bisschen lesen, ein Nickerchen auf dem Sofa, man kann Freunde zu sich einladen und hat immer eine plausible Ausrede, um seine Familie nicht zu besuchen. Nun, nach einer Reihe von Tagen in verpflichtender Quarantäne und meiner aktuellen Corona-Isolation, habe ich kein Problem damit einzugestehen, dass ich mich geirrt habe. Ich bin nun seit mehr als einer Woche Gefangener in den eigenen vier Wänden und beginne zu mumifizieren. Irgendwann in Tausenden Jahren werden Archäologen die Tür zu meiner Wohnung aufbrechen und sich fragen, wer mir während der Einbalsamierung das Gehirn durch die Nasenlöcher entnommen hat. Dabei geht das mit der Corona-Fußfessel von alleine, es löst sich quasi bei lebendigem Leibe auf. Erst vergangenen Samstag lag ich wie benommen vor meinem Fernsehapparat (auf dem Sofa, noch nicht auf dem Boden) und schaute „Deutschland sucht den Superstar“, unfähig umzuschalten. In der RTL-Sendung geht es um unerträglich lästige Möchtegernpromis und nicht minder lästige Kandidaten, die in etwa so zu gut singen können wie ich mit brennenden Kettensägen jonglieren. Staffel 19. Heißt: Deutschland sucht seit nunmehr 19 Jahren einen Superstar und findet keinen. Irgendwann kann man es dann auch sein lassen.
Dabei können wir von Glück reden, dass wir nicht in Schanghai leben. Dort spielen sich Situationen ab, die wir nur aus Katastrophenfilmen kennen. Wegen Chinas Null-Covid-Strategie werden die Menschen in ihren Wohnungen eingesperrt, richtig eingesperrt, nicht so wie wir in den vergangenen Lockdowns, in denen man nur zu Hause bleiben musste, wenn man es auch wollte. Roboterhunde laufen durch die Straßen und kontrollieren die Quarantäne, Drohnen verbieten den Verzweifelten das Singen auf ihren Balkonen, Schlägertrupps in Seuchenmontur verprügeln Lockdownrebellen, Türen werden zugeschweißt, damit niemand die Wohnanlagen verlassen kann. Wer positiv ist, selbst ohne Symptome, kommt in Gesundheitszentren, in denen man wohl vieles wird, aber kaum gesund. Und bei uns tragen Demonstranten Judensterne, weil sie sich nicht an die Maskenpflicht halten wollen. All diese Maßnahmen zeigen aber auch: Die Zero-Covid-Strategie ist gescheitert, so bekommen wir das Virus nicht weg. Wir werden wohl damit leben müssen.
Wir in Österreich haben dafür gar keinen Plan, was Corona angeht, vor allem nicht für den Herbst. Das hat Bildungsminister Martin Polaschek nicht nur in der „Krone“ bestätigt, sondern auch heute im Ö1-Morgenjournal. Ich fasse das Radiointerview für Sie zusammen: „Das müssen wir uns gemeinsam überlegen.“ - „Das schauen wir uns jetzt gemeinsam mit den Bildungsdirektionen an.“ - „Wir denken über verschiedene Varianten nach.“ - „Es gibt intensive Gespräche.“ - „Wir haben noch keinen Zeitraum.“ Zu welchen Themen er das gesagt hat? Irrelevant, die Antworten sind universell auf alle Bereiche im Bildungsbereich umlegbar. Ich habe vom Minister nichts Brauchbares erfahren. Vielleicht sollten wir es im Bildungsministerium einmal mit einem Roboterhund versuchen.
Ich wünsche einen schönen Feierabend, so Sie einen haben.
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