Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat weitere Einblicke seines Treffens mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gegeben. So habe Putin die Gasfrage bei seinem Besuch selbst angesprochen, sagte Nehammer. Laut Putin ist die „Gasversorgung gesichert“. Dass die bündnisfreien EU-Staaten Finnland und Schweden bereit seien, der NATO beizutreten, ist für Nehammer „tatsächlich ein Paradigmenwechsel“. Wo es jedoch keinen Paradigmenwechsel gebe, ist die Frage der österreichischen Neutralität: „Die ist immerwährend“, betonte Nehammer.
Von Putins Seite habe es den Hinweis gegeben, dass alle Änderungen Sanktionen-konform sein müssten, sagte Nehammer in einem Gespräch mit APA und dpa. Putin hatte zuvor angewiesen, Gas an westliche Staaten nur noch gegen Rubel zu verkaufen, was diese strikt ablehnen. Daraufhin erließ Putin ein Dekret, das westliche Kunden verpflichtet, ein Rubelkonto bei der Gazprombank zu eröffnen und die Zahlungen darüber abzuwickeln.
Gasembargo weiterhin abgelehnt
Ein Gasembargo gegen Russland lehnte Nehammer weiterhin ab. „Beim Gasembargo geht es um die Kraft des Faktischen“, sagte er. Sowohl Deutschland und Österreich als auch Bulgarien, Rumänien und Ungarn seien in hohem Maße von russischem Gas abhängig. „Von sich aus dieses Gasembargo zu fordern, würde bedeuten, dass sowohl die Industrie als auch die Haushalte durch das Nicht-Liefern des Gases schweren Schaden erleiden.“
Damit verbunden wäre auch der Verlust von Arbeitsplätzen und eine Gefährdung des sozialen Ausgleichs. „Das ist keine Frage, ob wir es nicht wollen“, so Nehammer. Durch Kriegsfolgen könnten auch noch Pipelines gesprengt werden oder Gas nicht geliefert werden, „das Risiko ist ja ohnehin da“. Auch Österreich versuche zu diversifizieren, dies brauche aber auch Zeit.
Er ist sich dessen bewusst, dass die Sanktionen der Russischen Föderation schaden. Er ist sich dessen bewusst, dass der Krieg viel Leid und Schrecken verbreitet. Das war ganz klar. Aber er ist in seiner Kriegslogik alternativlos.
Nehammer über Putin
„Brutale Konfrontation in Donbass“
Nehammer zeigte sich pessimistisch, dass eine große Schlacht im Donbass im Osten der Ukraine noch abgewendet werden könne. „Grundsätzlich droht jetzt die brutale Konfrontation im Donbass“, so der Kanzler nach seinen Gesprächen in Kiew und Moskau. „Es stellen sich beide Seiten auf eine sehr intensive und aus menschlicher Sicht verheerende Schlacht ein.“ Über die Folgen für Russland sei sich auch der Kremlchef im Klaren.
NATO Staaten in Zukunft „viel stärker“
Zudem habe Nehammer Putin in seinem Gespräch darauf hingewiesen, dass der Ukraine-Krieg dazu führe, dass die Europäer ihre Verteidigungsausgaben erhöhten. Die an Russland angrenzenden NATO Staaten „werden in absehbarer Zeit aufgrund ihrer militärischen Rüstung viel stärker sein als heute“, sagte der Kanzler. Ebenso würden sich die Europäer von russischem Gas unabhängiger machen. Dies werde „große Verwerfungen“ für Russland bringen.
In Kiew habe man sich von ukrainischer Seite erkundigt, wie die österreichische Neutralität und eine bewaffnete Neutralität funktioniere, schilderte Nehammer weiters. Der Kanzler wollte aber diesbezüglich keine Ratschläge erteilen: „Über all diese Fragen kann und muss die Ukraine ausschließlich alleine entscheiden. Das ist ganz wichtig. Das kann nicht ein guter Tipp der EU oder von einem Mitgliedsland der Europäischen Union sein.“
„Aktive Neutralitätspolitik“ betreiben
Österreich könne „aktive Neutralitätspolitik“ betreiben. Dadurch zeige es, dass es keinem Militärbündnis angehörig sei, und passe als Gesprächspartner grundsätzlich nicht in Freund-Feind-Schemata hinein. In Hinblick auf die Entwicklungen in Finnland und Schweden sei „die Dynamik dem Krieg geschuldet“. Man müsse aber zwischen den drei „Neutralen“ in der EU - Irland, Malta und Österreich - einerseits und den zwei „Paktfreien“ Finnland und Schweden unterscheiden. „Daher stellt es sich für Finnland und Schweden anders dar als für klar definierte und nach außen erklärte neutrale Staaten.“ Neutralität sei ein besonderer völkerrechtlicher Akt.
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