Experte erklärt:

Russen haben Taktik für Großoffensive geändert

Ausland
14.04.2022 13:53

Russland hat bei der nun bereits gestarteten Großoffensive im Osten der Ukraine seine Taktik geändert. „Die ukrainischen Stellungen werden erst nach massivem Artillerie- und Mehrfachraketenwerfereinsatz angegriffen. Die Russen rücken dann nur langsam, mit rund 1,5 Stundenkilometern, vorsichtig vor“, erklärt Oberst Markus Reisner, Leiter der Entwicklungsabteilung der Theresianischen Militärakademie, am Donnerstag.

Das passiere zurzeit an vier Stellen des sich bildenden möglichen Kessels. „In der Zwischenzeit werden laufend weitere Kräfte vor allem aus Belgorod herangeführt. Die Gesamtkoordination erfolgt durch einen neuen General, Alexander Dwornikow. Dieser führt die Operation bereits seit zumindest zehn Tagen durch. Er führte bereits zuvor die Offensive in diesem Raum, ist also mit der Lage im Detail vertraut.

Das Ergebnis seiner Einsatzführung war bereits die erfolgreiche Umfassung ukrainischer Kräfte bei Izjum und der Ausbruch aus der Enge in Richtung Süden. Ein dabei durchgeführtes Panzergefecht russischer gegen ukrainische Panzer bei Kamina konnten die Russen für sich entscheiden. Trotzdem ist es den ukrainischen Kräften gelungen, sich neu zu organisieren und eine stabile Abwehrlinie zu bilden. „Dies zeugt von der überaus hohen Moral der ukrainischen Kräfte“, erläutert Reisner.

Ukrainer halten dagegen
Die ukrainischen Kräfte versuchen wiederum, ihre bestehenden Verteidigungsstellungen im Donbass weiter zu verstärken, etwa durch laufendes Verlegen von Minen, und sie besetzen die Stellungen während der Artillerieangriffe mit geringen Kräften und versuchen erst beim Vormarsch der russischen Bodentruppen, einen Abwehrerfolg zu erzielen. Erschwert werde ihnen das durch den massiven Drohneneinsatz (Typ ORLAN-10) der Russen. Zudem versuchen die russischen Kräfte durch den Einsatz von Luftmitteln (Kampfflugzeuge, Marschflugkörper, ballistische Raketen), die Versorgungslinien der Ukrainer auszuschalten.

Schreckliche Bilder, die uns jeden Tag aus der Ukraine erreichen. Ein Krieg mitten in Europa war lange undenkbar. (Bild: AP)
Schreckliche Bilder, die uns jeden Tag aus der Ukraine erreichen. Ein Krieg mitten in Europa war lange undenkbar.
Aus Angst, dass es ihnen so geht wie den ehemaligen Bewohnern von Butscha (Bild), flüchten Tausende im Osten der Ukraine vor dem erwarteten Großangriff. (Bild: AP)
Aus Angst, dass es ihnen so geht wie den ehemaligen Bewohnern von Butscha (Bild), flüchten Tausende im Osten der Ukraine vor dem erwarteten Großangriff.

Ausgewählte westliche Waffensysteme wie Minidrohnen zur Artilleriefeuerleitung und Panzerabwehrsysteme befinden sich laut Reisner bereits im Donbass oder sind im Anmarsch, dazu zählen die amerikanischen Kamikazedrohnen vom Typ Switchblade 600. Die von westlicher Seite in Aussicht gestellten schweren Waffensysteme seien dagegen noch nicht eingetroffen. „Ihr zeitgerechtes Eintreffen ist zurzeit nicht rechtzeitig zu erwarten.“

Schlag gegen die Russen geglückt
Als großen Erfolg für die Ukraine wertet Reisner die schwere Beschädigung des russischen Flaggschiffs Moskwa. Das Schiff der russischen Schwarzmeerflotte wurde durch zumindest zwei ukrainische Anti-Schiffs-Raketen vom Typ RK-360MC NEPTUN getroffen und schwer beschädigt, wenn nicht gar versenkt. „Dieser Erfolg der Ukraine hat eine sehr hohe Symbolwirkung, alleine schon wegen seines Namens.“

Die Moskwa (Bild: AFP)
Die Moskwa

Erbitterter Häuserkampf in Mariupol
Was die Lage in Mariupol betrifft, sei die Stadt zu großen Teilen in russischer Hand. „Innerhalb der Stadt sind im Wesentlichen noch zwei Stadtbezirke unter ukrainischer Kontrolle. Hier tobt ein erbitterter Häuserkampf oberhalb und unterhalb der Straßenzüge. Die ukrainischen Verteidiger kämpfen vor allem im Industriewerk Asowtal aus den unterirdischen Kabelschächten und Gängen heraus. Der Kampf um die Stadt befindet sich jedoch in seiner letzten Phase“, so Reisner. Wiederholte ukrainische Ausbruchsversuche in Richtung Norden und die Gefangennahme größerer Gruppen ukrainischer Soldaten zeigten dies.

„Vor allem die Angehörigen des Asow-Regiments kämpfen nach wie vor bis zum bitteren Ende. Sie rechnen bei einer Gefangennahme, da sie aus russischer Sicht als ,Nazis‘ gelten, mit dem sicheren Tod. Sie haben daher keine Alternativen“, so der Militäranalyst.

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