Jung, arm, weit her
Diese Soldaten ziehen für Putin in den Krieg
Berichte von Gräueltaten, unmotivierten Soldaten und mäßigen Fortschritten der russischen Truppen in der Ukraine gehören seit Beginn des Angriffskriegs schon fast zur Tagesordnung. Doch wen schickt Wladimir Putin für seine „militärische Spezialoperation“ ins Kriegsgebiet und warum erfährt die russische Bevölkerung kaum etwas von den tatsächlichen Vorgängen? Ein kleiner Einblick in Putins Strategie:
Immer wieder teilt die Ukraine Bilder von russischen Soldaten und berichtet damit auch über die Hintergründe all jener, die im Kampf gegen die Ukraine gefallen sind. Sehr oft handelt es sich dabei um Männer aus den tiefsten Ecken Ostrusslands, die zum Teil eine enorm lange Wegstrecke hinter sich haben, bevor sie zu den Waffen greifen.
Daten von Gefallenen geben Einblick
Die britische BBC hat nun öffentlich zugängliche Informationen von rund 1080 russischen Soldaten ausgewertet, die nachweislich im Krieg gefallen sind. Sie stellen zwar nur einen Bruchteil aller russischen Opfer dar - die Ukraine spricht inzwischen bereits von knapp 20.000 getöteten Russen -, die Analyse gibt aber dennoch einen Einblick in die russischen Streitkräfte, der sonst nicht möglich ist.
Viele stammen aus armen Regionen
Einer der Soldaten ist Makhail Garmaev - der Berufssoldat wurde am 6. März in der Nähe von Kiew getötet. Garmaev stammt aus Sibirien, wo er nach der Schule ein Studium begonnen, sich dann aber als Wehrpflichtiger zur Armee gemeldet hat. Nach seiner Rückkehr in seine Heimat arbeitete er als Installateur von Alarmanlagen, um dann aber wieder in die Armee zurückzukehren.
Die BBC ist im Zuge der Recherchen auf zahlreiche solcher Fälle gestoßen: Viele stammen aus armen Verhältnissen aus dem tiefen Osten Russlands. Konkret kamen 80 Prozent der gefallenen Männer aus Gebieten, in denen die Menschen unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen leiden. Aufgeführt wird dabei etwa die Region Dagestan im Nordkaukasus - 93 Tote aus der Liste stammen von dort, wo die Arbeitslosigkeit derzeit mit 16 Prozent weit über dem russischen Durchschnitt von vier Prozent liegt.
Kein einziger Soldat aus Moskau
Viele Betroffene kommen aus dem tiefsten Osten des Landes - aus Burjatien, mehr als 6000 Kilometer von Kiew entfernt. Besonders interessant: In der analysierten Liste ist kein einziger Soldat aufgeführt, der aus Moskau stammt - auch von ukrainischer Seite gibt es bislang keinerlei Informationen über tote Streitkräfte aus der Hauptstadt.
Geld oder Leben
Wie die „Washington Post“ berichtete, besteht die russische Armee zu etwa 70 Prozent aus Berufssoldaten. Der Grund dafür scheint simpel: Die Armee bietet finanzielle Sicherheit, die die Männer sonst nicht hätten. Der Zeitung zufolge verdienen die Soldaten schließlich rund 1000 Euro im Monat - und damit weit über dem Mindestlohn von etwa 230 Euro.
Der restliche Teil der Soldaten besteht aus Wehrpflichtigen, die ebenfalls meist aus wirtschaftlich schwächeren Haushalten stammen. Wie Kamil Galeev, Experte für das russische Militär, via Twitter erklärte, können Personen aus einkommensstarken Haushalten das Pflichtjahr beim Militär umgehen.
Propaganda bedient sich aller Mittel
Für Putins Strategie dürften die ärmlichen Voraussetzungen dabei eine entscheidende Rolle spielen. Von Beginn an war der Kreml darauf bedacht, die Propaganda so zu lenken, dass die realen Bilder aus der Ukraine möglichst von der russischen Bevölkerung ferngehalten werden. Sollte dies nicht gelingen, wäre das Risiko zu groß, dass die offizielle Begründung der „Spezialoperation“ - also „Nazis“ zu beseitigen - womöglich schneller auffliegt.
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Mütter als „Gefahr“ für Putin
Mit dem Einsatz von Streitkräften, die aus Familien stammen, die nicht in der Lage sind, auf die Umstände hinzuweisen oder gar einen großen Aufschrei zu verursachen, fällt dies wesentlich leichter. Auch, dass Truppen aus mehreren Tausend Kilometern Entfernung in den Krieg geschickt werden, spielt hierbei in die Karten - sie haben schließlich meist kaum persönliche Beziehungen in die Ukraine.
„Eine große Gefahr, für die Regierung waren in Russland seit jeher die Mütter der Soldaten“, erklärte die Historikerin Juliane Fürst gegenüber ntv. Sollten also zunehmend wohlhabendere Mütter vom Tod ihrer Söhne erfahren, würde auch Putins Stabilität in Russland Gefahr laufen.
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