Während die Menschen in Österreich angesichts der hohen Inflation derzeit unter steigenden Preisen für unter anderem Lebensmittel, Strom oder Benzin leiden, beschert die Teuerung dem Staat zusätzliche Mehreinnahmen aus Mehrwert-, Lohn- und Einkommenssteuer in Milliardenhöhe. Laut Berechnungen der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Agenda Austria, die verschiedene Szenarien durchspielte, könnten so heuer und im kommenden Jahr zwischen 7,5 und elf Milliarden Euro in den Staatshaushalt fließen. Das entspreche sogar in der Variante mit der niedrigsten angenommenen Teuerung dem Volumen einer größeren Steuerreform.
Hohe Inflationsraten führen zu einem unmittelbaren Anstieg der konsumabhängigen Steuern wie der Mehrwertsteuer. In weiterer Folge steigende Löhne erhöhen dann auch die Einnahmen aus Lohnsteuern bzw. Sozialbeiträgen. Auf diese Entwicklung hatte bereits Anfang April der Fiskalrat aufmerksam gemacht.
Wie sich das auf den Staatshaushalt auswirkt, hat die Agenda Austria nun für drei Szenarien durchgespielt. Im ersten beträgt die Inflation 2022 fünf Prozent und 2023 drei Prozent. In diesem Fall könnte der Staat 2022 Zusatzeinnahmen von 2,5 Milliarden Euro aus Lohn-, Einkommens- und Mehrwertsteuer erwarten und im Jahr 2023 fünf Milliarden Euro, insgesamt also 7,5 Milliarden Euro.
Aktuell liegt die Inflation aber sogar noch höher. In einer zweiten Variante wurden daher Inflationsraten von sechs Prozent für 2022 und vier Prozent für 2023 zu Grunde gelegt. Dann steigen die Mehreinnahmen für das Budget auf 3,1 (2022) bzw. 6,3 Milliarden (2023) Euro, insgesamt also mehr als neun Milliarden Euro.
Nimmt man für 2022 eine Inflation von sieben Prozent und für 2023 von fünf Prozent an, gibt es sogar Mehreinnahmen von mehr als elf Milliarden Euro (2022: 3,7 Milliarden, 2023: 7,5 Milliarden Euro).
„Kalte Progression beenden“
Die Entlastung durch die jüngste Steuerreform werde so in kürzester Zeit zunichtegemacht, so Agenda Austria-Ökonom Marcell Göttert in einer Aussendung. „Finanzminister Brunner sollte die Menschen durch eine deutliche Senkung der Lohn- und Einkommensteuer entlasten und endlich die versteckte Besteuerung durch die kalte Progression beenden“, forderte er.
Kritik von SPÖ und FPÖ
Die SPÖ wiederum verlangte, „den Menschen endlich die Steuer-Mehreinnahmen zurückzugeben“. Brunner sei gemeinsam mit der Energieindustrie der große Profiteur der Teuerungen, so der stellvertretende Klubvorsitzende Jörg Leichtfried. Die bisher beschlossenen Maßnahmen würden lediglich einen Bruchteil der Mehreinnahmen an die Bevölkerung zurückfließen lassen. Die SPÖ verlangt unter anderem, die Steuern auf Arbeit um 1000 Euro pro Jahr zu senken, die Pensionsanpassung vorzuziehen, das Arbeitslosengeld zu erhöhen und Mieterhöhungen rückgängig zu machen.
Auch die FPÖ kritisierte, dass die von der Regierung beschlossenen Entlastungsmaßnahmen durch die Inflation wieder in die Tasche des Finanzministers fließen würden. „Auf der einen Seite präsentiert sich die Regierung als großer Wohltäter, während hinterrücks von den Menschen wieder abkassiert wird“, so Parteichef Herbert Kickl. Er fordert unter anderem die Zusammenstellung eines Warenkorbs von Grundnahrungsmitteln samt Halbierung beziehungsweise Streichung der Mehrwertsteuer auf die Produkte darin sowie eine Halbierung bzw. Streichung von Mehrwert- und Mineralölsteuer auf Benzin und Diesel.
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