Mit 83 Jahren

Aktionskünstler Hermann Nitsch gestorben

Adabei
19.04.2022 08:19

Der weltberühmte Aktionskünstler Hermann Nitsch ist am Montag im Krankenhaus von Mistelbach nach schwerer Krankheit im Alter von 83 Jahren gestorben. Das bestätigte seine Frau am Dienstagfrüh. Er sei „sehr friedlich“ eingeschlafen, so Rita Nitsch. Die ersten beiden Tage des im Vorjahr coronabedingt abgesagten „6-Tage-Spiels“ werden am 30. und 31. Juli dennoch stattfinden. „Das haben wir ihm versprochen.“

Am 29. August 1938 in Wien geboren, war seine Kindheit geprägt von den Wirren des Krieges. Nur wenige Monate, bevor er das Licht der Welt erblickte, kam es zum „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland. Der Vater fiel im Krieg, Nitsch wurde von seiner Mutter alleine großgezogen. „Ich habe in diesem Alter schon wirklich Todesangst gehabt und begriffen, was es heißt, zu sterben, die Wohnung zu verlieren und kein Zuhause zu haben. Ich glaube schon, dass diese dramatische Situation etwas bei mir hinterlassen hat“, wird Nitsch darüber zitiert.

Auch in Steuersachen des mittlerweile verstorbenen Aktionskünstlers Hermann Nitsch (Bild) dürfte es vonseiten Thomas Schmids Interventionen gegeben haben. (Bild: Daniel Karmann / dpa / picturedesk.com)
Auch in Steuersachen des mittlerweile verstorbenen Aktionskünstlers Hermann Nitsch (Bild) dürfte es vonseiten Thomas Schmids Interventionen gegeben haben.

Nach dem Krieg besuchte Nitsch in Wien die Grafische Lehr- und Versuchsanstalt, und bereits seine ersten Arbeiten zeugten vom Interesse an religiösen Themen, mit denen er sich Zeit seines Lebens beschäftigen sollte. Ursprünglich wollte er sogar Kirchenmaler werden, seine Diplomarbeit war etwa ein Bibelumschlag. Zur selben Zeit entsteht aber auch seine Idee für das Orgien-Mysterien-Theater - prägend für alles, was danach kommen sollte: Nitsch verfolgt bis heute einen allumfassenden Ansatz, bei dem er Text, Musik, Malerei und Performance gesamthaft verknüpft.

Mitbegründer des Wiener Aktionismus
In den 60er-Jahren wird er dank der damit zusammenhängenden Aktionen, die zunächst noch mit Farbe, sukzessive aber mit Blut, Eingeweiden und Tierkadavern vonstattengehen, zum Mitbegründer des Wiener Aktionismus - und sieht sich alsbald mit harscher Kritik, Anfeindungen und Inhaftierungen konfrontiert. Doch während die Öffentlichkeit zum Teil mit Unverständnis auf Nitsch reagiert, stellen sich auch erste große Erfolge ein. So nimmt er in der Folge an der documenta in Kassel teil, stellt in New York und London aus und verfolgt weiter konsequent seine Vision des Gesamtkunstwerks.

Für seine blutigen Kunstwerke wurde Hermann Nitsch gefeiert und kritisiert. (Bild: APA/HARALD SCHNEIDER)
Für seine blutigen Kunstwerke wurde Hermann Nitsch gefeiert und kritisiert.

Dass sich konservative und auch rechte Parteien immer wieder und zum Teil bis heute an seiner Arbeit stören, nahm Nitsch zuletzt mit einer gewissen Gelassenheit hin. „Ich habe für Politik nichts übrig“, erzählte er einmal in einem Interview, „aber es gibt schon politische Auffassungen, die meine Arbeit immer noch bekämpfen.“ Selbst habe er nicht mehr die Kraft, all diese Kämpfe aufzunehmen. Dabei sind es wohl genau seine Streitbarkeit und sein unbeirrbarer Wille, der eigenen Vorstellung zu folgen, die letztlich zu seiner Etablierung in der Kunstwelt führten.

Höhepunkt seines Schaffens mit „6-Tage-Spiel“
Bald nach dem Erwerb von Schloss Prinzendorf Anfang der 1970er-Jahre wurde das Anwesen nicht nur zum persönlichen, sondern auch künstlerischen Mittelpunkt für Nitsch. Den Kauf machte ihm seine zweite, später nach einem Unfall verstorbene Frau Beate möglich. Im Schloss wurden zahlreiche Aktionen des Orgien-Mysterien-Theaters aufgeführt und kam es 1998 auch zum legendären „6-Tage-Spiel“, das der Künstler selbst als bisherigen Höhepunkt seines Schaffens ansieht. Die Veranstaltung führte zu einem enormen Medienrummel und sorgte für viel Erregung.

Hermann Nitsch (Bild: Daniel Karmann / dpa / picturedesk.com)
Hermann Nitsch

Dennoch schaffte es Nitsch, der sich davor schon als Opernausstatter und Regisseur versuchte und seither auch immer wieder als Komponist in Erscheinung trat, trotz aller Kritik stets seinen eigenen Idealen treu zu bleiben. Auszeichnungen wie der Österreichische Kunstpreis für bildende Kunst (1984) sowie der Große Österreichische Staatspreis für bildende Kunst (2005) sind nur zwei von vielen Ehrungen für einen Künstler, dem schon zu Lebzeiten zwei Museen (in Mistelbach und Neapel) gewidmet wurden. Dessen ungeachtet ließen seine Aktionen auch heute noch Kritiker und Tierschützer auf die Barrikaden steigen.

Porträt von krone.at
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(Bild: kmm)



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