Die massiven Wirtschaftssanktionen aufgrund des Angriffs auf die Ukraine stellen Russlands IT-Industrie vor ein Problem: Das Land ist von modernen Mikrochips abgeschnitten und muss sich nun nach Alternativen umschauen. Geplant ist, die Versorgung selbst in die Hand zu nehmen und umgerechnet 36,5 Milliarden Euro in die russische Chipindustrie zu stecken. Doch selbst mit dieser Summe sind keine konkurrenzfähigen Chips zu erwarten.
Bis Ende des Jahres will Russland eine eigene Chipproduktion hochziehen, berichtet Golem.de unter Berufung auf die russische Tageszeitung „Kommersant“. Zunächst sollen die russischen Chips im veralteten 90-Nanometer-Verfahren gefertigt werden, bis 2030 will man Chips im ebenfalls schon angestaubten 28-Nanometer-Verfahren produzieren.
Intel fertigte 2003 im 90-Nanometer-Verfahren
Zum Vergleich: 90-Nanometer-Fertigung war beim Chipriesen Intel im Jahr 2003 der Stand der Dinge, heute fertigt der US-Konzern seine Core-i-Prozessoren der 12. Generationen im 10-Nanometer-Verfahren. Beim Rivalen TSMC aus Taiwan, der unter anderem für AMD und Apple produziert, verlassen sogar schon 4-Nanometer-Chips die Produktionsstätten.
Interessanterweise fertigte TSMC bisher Halbleiter für russische Abnehmer: Die Taiwanesen produzierten für russische Kunden Elbrus- und Baikal-Prozessoren, die im 16-Nanometer-Verfahren ins Silizium geätzt wurden. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine zog sich TSMC allerdings vom russischen Markt zurück.
Großzügige Zuschüsse geplant
Dass 90-Nanometer-Chips im Jahr 2022 nicht sonderlich gefragt sein dürften, weiß auch die russische Regierung. Daher will man die eigenen Prozessoren massiv subventionieren: Bis 2030 soll die gesamte russische Verwaltung mit Elektronik aus russischer Produktion versorgt werden, wobei bis zu 50 Prozent der Kosten zugeschossen werden. Bei Privatkunden strebt man einen Anteil von zumindest 30 Prozent an.
Hunderte Forschungszentren geplant
Neben Chipwerken will Russland auch im großen Stil in Forschung und Entwicklung investieren: Bis 2030 sollen rund 2000 Forschungsprojekte der russischen Chipindustrie finanziert werden, Hunderte Entwicklungszentren sind geplant. Allerdings gibt es Zweifel, ob dafür auch geeignetes Personal vorhanden ist: Jedes Zentrum soll laut Plan mindestens 100 Angestellte haben, die aber zuvor ein mehrjähriges Studium durchlaufen müssten.
Fraglich ist auch, mit welchen Maschinen Russland die Chips herstellen will. Die hochkomplexen Anlagen in der Halbleiterfertigung erstehen die Produzenten derzeit bei westlichen Anbietern wie etwa ASML aus den Niederlanden - und die liefern nicht mehr nach Russland. Den Entwicklungsvorsprung dieser Spezialanbieter könnten russische Anbieter indes wohl kaum aufholen.
Es bliebe der Umweg über chinesische Chipproduzenten wie SMIC - aber auch die können es technologisch noch nicht mit Rivalen wie TSMC, Samsung oder Intel aufnehmen und sind auf westliche Zulieferer angewiesen.
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