Der US-Streaming-Marktführer Netflix hat erstmals seit mehr als zehn Jahren ein Quartal mit Kundenschwund verkraften müssen. In den drei Monaten bis Ende März gingen unterm Strich rund 200.000 Bezahlabos verloren, wie Netflix am Dienstag (Ortszeit) nach US-Börsenschluss mitteilte. Insgesamt sank die weltweite Nutzerzahl zum Quartalsende auf 221,6 Millionen. Netflix will nun angesichts der Zahlen härter bei Nutzern durchgreifen, die ihre Zugangsdaten teilen.
Anleger reagierten massiv enttäuscht - die Aktie geriet heftig unter Druck und lag zeitweise mit über 25 Prozent im Minus. Netflix galt zu Beginn der Corona-Pandemie noch als einer der großen Gewinner der Krise, hat nun aber schon seit Längerem einen schweren Stand an der Wall Street. Seit Jahresbeginn ist der Aktienkurs bereits um über 40 Prozent gefallen. Der Quartalsbericht setzte auch den Aktien von anderen Streaming-Anbietern wie Walt Disney, Roku und FuboTV zu.
700.000 Abonnenten in Russland weggefallen
Ein Grund für den Kundenschwund war der Stopp des Russland-Geschäfts nach dem Einmarsch in die Ukraine, wodurch auf einen Schlag 700.000 Kunden wegfielen. Doch auch mit dem Zuwachs von 500.000 Abonnenten wäre Netflix weit hinter der eigenen Prognose von 2,5 Millionen zurückgeblieben. Schlimmer noch: Für das laufende Quartal rechnet der Dienst mit dem Abgang von rund zwei Millionen Kunden.
Dabei hat Netflix neue Folgen von Hit-Serien wie „Stranger Things“ und hochkarätig besetzte Filme wie „The Gray Man“ mit Hollywood-Star Ryan Gosling starke Produktionen am Start. Das Management um Gründer und Co-Chef Reed Hastings verwies zu den sinkenden Zahlen weiters auf „Faktoren außerhalb unserer Kontrolle“ wie den langsameren Anstieg des Anteils von Smart-TV und die Inflation.
Netflix will gegen Account-Sharing vorgehen
Vor allem sind Netflix aber die Kunden ein Dorn im Auge, die ihre Login-Daten mit anderen teilen. Der Dienst schätzt, dass mehr als 100 Millionen Haushalte so als Trittbrettfahrer unterwegs seien. Als das Wachstum noch hoch war, habe man ein Auge zugedrückt, sagte Hastings. Doch nun will Netflix nicht mehr tatenlos zusehen.
Wir versuchen nicht, das zu unterbinden. Aber wir werden Sie bitten, dafür etwas mehr zu bezahlen.
Netflix-Manager Greg Peters über Account-Sharing
„Wenn Sie etwa eine Schwester haben, die in einer anderen Stadt lebt und Ihr Netflix-Abo mit ihr teilen wollen, ist das super. Wir versuchen nicht, das zu unterbinden“, sagte Produktchef Greg Peters. „Aber wir werden Sie bitten, dafür etwas mehr zu bezahlen.“ Netflix kann zum Beispiel anhand der IP-Adressen feststellen, von wo Nutzer auf den Dienst zugreifen. Bis das System eingefahren sei und weltweit eingesetzt werde, könne es aber noch ein Jahr dauern, sagte Peters.
Konkurrenzkampf wird intensiver
Netflix konnte als Pionier zunächst nahezu ungehindert Land im Videostreaming-Geschäft gewinnen. Doch inzwischen gibt es immer mehr Konkurrenz - unter anderem von Disney, Amazon, Apple sowie Warners HBO Max. Nannte Hastings vor ein paar Jahren noch mit einem Anflug von Arroganz das Online-Spiel „Fortnite“ als schärfsten Konkurrenten, gibt er nun zu, dass der Wettbewerb „einige sehr gute Filme und Serien herausgebracht“ habe.
Branchenbeobachter sehen auch ein Problem in der Netflix-Strategie, das Programm mit einer Flut von Inhalten zu überschwemmen, wobei manchmal die Qualität auf der Strecke bleibe. Ein Rivale wie Disney setzt dagegen auf aufwendig produzierte wenige Serien rund um populäre Figuren aus den Welten von „Star Wars“ und Marvel, die mit einer Folge pro Woche über einen längeren Zeitraum die Kunden binden.
Abos mit Werbeunterbrechungen denkbar
Um das Wachstum wieder in Gang zu bringen, ist Netflix sogar bereit, an einem seiner größten Tabus rütteln und ein günstigeres Abo mit zwischengeschalteten Werbe-Clips einführen. So etwas gab es bei Netflix noch nie - Hastings hatte bisher wenig dafür übrig. Er sei zwar nach wie vor ein Fan der Einfachheit von Abos - „aber ich bin noch mehr ein Fan davon, den Verbrauchern eine Wahl zu bieten“, sagte er.
Netflix sei nun offen fürs Werbemodell. „Wir schauen uns das an und versuchen, das in ein bis zwei Jahren auf die Reihe zu kriegen.“ Details wie die Personalisierung der Werbung könne man dabei auch anderen überlassen, sagte Hastings.
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