Auch eine Woche nach dem Besuch des Bundeskanzlers in Moskau reißt die Diskussion über Sinn oder Unsinn nicht ab. Der ehemalige ukrainische Botschafter Olexander Scherba wird im Talk mit Katia Wagner auf krone.tv deutlich: „Das war ein absoluter Fehler. Diese Besuche haben Putin erst dazu verholfen, zu einem Monster zu werden.“
Immerhin seien solche Besuche auch ohne Bilder Teil der russischen Propaganda. Der ehemalige Botschafter, der die vergangenen Wochen in Kiew verbracht hat, zeichnet außerdem ein düsteres Bild von der Situation in der Ukraine. „Wir wussten, dass das absolute Böse auf uns zukommt. Wir hatten recht“, so Scherba. Für ihn ist klar, dass der russische Präsident „ein Kriegsverbrecher ist“, denn das ganze Land würde „brennen und bluten“. „Das ist ein Genozid!“, fasst er die Gräueltaten zusammen.
Amnesty-Chefin bestätigt massive Menschenrechtsverletzungen
Auch die Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, Annemarie Schlack, pflichtet diesen Eindrücken bei. Es fänden in diesem Krieg außergerichtliche Hinrichtungen und Erschießungen von Zivilisten statt, Folter und Vergewaltigungen seien an der Tagesordnung. Die Menschenrechtsorganisation habe bereits jetzt genügend Material gesammelt, um sagen zu können: „Hier finden massive Menschenrechtsverletzungen statt, die geahndet werden müssen!“
Historiker Karner: „Österreich hat verloren, was es einmal hatte“
Der renommierte Historiker Stefan Karner hält fest, dass die Gräueltaten entsetzlich und „eine Entladung der Geschichte“ seien. Abgesehen davon plädiert er auch nach dem Kanzler-Besuch dafür, dass man „nichts unversucht“ lassen dürfe, um den Frieden zu fördern, denn: „Schlechter kann es nicht werden.“ Mit ein wenig Wehmut merkt der Russland-Experte an: „Österreich hat vieles verloren, was es einmal hatte.“ Die Vermittlerrolle hätten heute andere eingenommen.
Völkerrechtsexperte: „Österreich glaubt, die Welt geht es nichts an“
Völkerrechtler Ralph Janik zweifelt auch daran, dass Österreich bei der Friedensvermittlung eine größere Rolle spielen könne. Auch sei seiner Einschätzung nach der Krieg bei vielen Österreichern noch nicht angekommen. Für ihn ist klar: „Unser Wohlstand beruht auf dem Wegschauen. Aber die schöne Zeit vor dem Krieg wird nicht wiederkommen!“ Ob Putin ein Kriegsverbrecher sei? Obwohl einige bei dieser Frage nun „die Unschuldsvermutung“ entdecken würden, seien für ihn die Zeichen klar.
Soll Österreich in diesem Krieg vermitteln?
Besonders viel Hoffnung auf Österreich als Brückenbauer hat auch der ehemalige Botschafter Scherba nicht. „Es hapert nicht an Vermittlern, davon gibt es genug. Wir wollen einfach kein Teil einer Diktatur sein“, stellt er klar. Obwohl weder die Amnesty-Chefin noch der Spitzen-Jurist Janik an ein schnelles Ende des Krieges glauben, gibt es Hoffnung. „Viele Russen sind mit dem Krieg nicht einverstanden. Da ist einiges in Bewegung“, sagt Karner. Vielleicht könnte Österreich hier einhaken, denn: „Österreich hat sich immer dadurch ausgezeichnet, dass es schwierige Themen angegangen ist“, so der Historiker.
Den Talk mit Katia Wagner sehen Sie jeden Mittwoch um 20.15 Uhr auf Krone TV. Schalten Sie ein und diskutieren Sie mit!
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