TV-Duell gegen Macron

Le Pen: „Ich will EU verändern, nicht austreten“

Ausland
20.04.2022 22:23

Frankreichs liberaler Staatschef Emmanuel Macron hat seiner rechten Widersacherin Marine Le Pen vorgeworfen, sich von Russland abhängig gemacht zu machen. „Sie hängen von der russischen Macht und Sie hängen von Herrn Putin ab“, sagte Macron am Mittwochabend in der TV-Debatte der Präsidentschaftskandidaten vor der Stichwahl am Sonntag. „Sie reden nicht mit anderen Führungspersönlichkeiten, Sie reden mit Ihrem Bankier, wenn Sie von Russland reden“, warf Macron Le Pen an den Kopf. Le Pen widersprach ihrerseits den Vorwürfen, die Europäische Union verlassen zu wollen.

„Ich möchte in der Europäischen Union bleiben“, sagte die 53-Jährige bei der einzigen TV-Debatte mit ihrem Kontrahenten. Über die EU sagte sie: „Ich möchte sie gründlich verändern.“ Le Pen geht es dabei darum, ein sogenanntes Europa der Nationen zu schaffen, in dem Brüssel deutlich in den Hintergrund treten soll. Sie setzt sich unter anderem dafür ein, dass französisches Recht Vorrecht vor EU-Recht haben soll.

Macron: „Ich glaube an Europa“
Macron sagte hingegen: „Ich glaube an Europa und ich glaube an das französisch-deutsche Paar.“ Die deutsch-französische Zusammenarbeit habe es ermöglicht, Abkommen zu erreichen. „Um Europa voranzubringen, braucht es ein französisch-deutsches Paar.“ Obwohl beide Kandidaten auch nach der Kooperation mit Berlin in der EU gefragt wurden, äußerte sich Le Pen kaum dazu. Sie sagte lediglich, dass Deutschland seine Interessen durchsetze.

TV-Duell zwischen Macron und Le Pen am Mittwochabend (Bild: The Associated Press)
TV-Duell zwischen Macron und Le Pen am Mittwochabend

Macron an Le Pen: „Sie wollen noch immer aussteigen“
Macron warf Le Pen vor, wie bei ihrer Präsidentschaftskandidatur 2017 aus der EU austreten zu wollen. „Sie wollen noch immer aussteigen, denn Sie haben das Programm nicht sehr geändert, aber Sie sagen es nicht.“ Le Pen konterte, würde sie aussteigen wollen, würde sie es sagen. Uneinig waren sich die beiden Kontrahenten auch beim Thema Unabhängigkeit. „Unsere Souveränität ist national und europäisch“, sagte Macron. Le Pen erwiderte: „Es gibt keine europäische Souveränität, weil es kein europäisches Volk gibt.“

Bezüglich seines Russland-Vorwurfs an Le Pen bezieht sich Macron auf einen Kredit, den Le Pen 2014 von einer tschechisch-russischen Bank aufnahm. Sie verteidigte sich mit dem Hinweis, dass französische Banken ihr eine solche Finanzhilfe nicht genehmigen wollten. „Finden Sie das nicht skandalös?“, entgegnete Le Pen und sprach von einem demokratischen Defizit der Banken.

Le Pen: „Ich bin eine total freie Frau“
Le Pen sagte zudem: „Ich bin eine absolut und total freie Frau.“ Macron warf sie vor, ihre Partei 2015 als Minister daran gehindert zu haben, einen Kredit in Frankreich zu erhalten. Macron erwiderte, niemand habe damals interveniert. Zudem sei er Wirtschaftsminister gewesen, Banken hätten nicht zu seinem Aufgabengebiet gehört.

Ringen um Stärkung der Kaufkraft
Zuvor haben Macron und Le Pen konträre Vorschläge zur Stärkung der Kaufkraft - einem Schlüsselthema im Wahlkampf - vorgelegt. Zum Auftakt der mit Spannung erwarteten einzigen Fernsehdebatte vor der Stichwahl am kommenden Sonntag stellte Macron am Mittwochabend Erhöhungen der Pensionen und des Mindestlohns sowie ein Festhalten an der Deckelung der Preise von Gas und Strom in Aussicht. Außerdem gelte es, die Arbeitslosigkeit weiter zu senken. Le Pen schlug das Senken der Mehrwertsteuer auf Energie sowie einen Wegfall der Steuern auf 100 Grundprodukte des täglichen Bedarfs vor.

Anders als 2017 keine Beschimpfungen
Macron und Le Pen bemühten sich zum Start der TV-Debatte um einen sachlichen, wenn auch kritischen Austausch. Als sich beide vor der Wahl 2017 ebenfalls in einem TV-Duell gegenübersaßen, war die Diskussion von Beschimpfungen und persönlichen Angriffen geprägt. Nun zeigte Macron sich als Zuhörer, der seiner Kontrahentin bei einigen Feststellungen recht gab - um sich aber im Anschluss zu bemühen, deren Schlussfolgerungen oder Forderungen zu widerlegen. Le Pen konzentrierte sich ebenfalls auf die Aussagen ihres Gegners und stellte sich als Anwältin der Bevölkerung dar.

Werben um Wähler des Linkspopulisten Mélenchon
Beide Kandidaten werben um die Wähler des Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon, der in der ersten Runde mit knapp 22 Prozent auf den dritten Platz gekommen war. Er ruft dazu auf, „keine Stimme für Le Pen“ abzugeben, aber verzichtet darauf, Macron zu unterstützen. Mélenchon hofft auf ein gutes Ergebnis seiner Bewegung La France Insoumise (Unbeugsames Frankreich) bei der Parlamentswahl im Juni und hat sich bereits als Premierminister ins Gespräch gebracht.

Für die letzten beiden Tage des Wahlkampfs plant Le Pen noch mehrere Besuche im Norden des Landes, wo sie in der ersten Runde gut abgeschnitten hat. Macron wird seinen Wahlkampf im südfranzösischen Nizza beschließen.

Am Freitag um Mitternacht beginnt die politische Funkstille, in der weder die Veröffentlichung von Umfragen noch von Interviews erlaubt ist. Die Wahllokale sind am Sonntag von 8 bis 19 Uhr geöffnet, in Großstädten auch bis 20 Uhr. Erste Hochrechnungen werden um 20 Uhr veröffentlicht.

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