„Mann-o-Mann“, so hieß eine Fernsehshow, in der Möchtegernmachos gegeneinander antraten. In peinlichen Spielen, die ihre Männlichkeit beweisen sollten. Viele Politiker dürften da zugeguckt haben. Wie anders ist es zu erklären, dass Emmanuel Macron sich im Wahlkampf auf einem Sofa rekelt, um breit grinsend mit geöffnetem Hemd sein Brusthaar zu zeigen?
1. Frankreich wählt am Sonntag den Staatspräsidenten. Dieser kann für fünf Jahre den Regierungschef bestellen, nach politischem Gutdünken das Parlament auflösen und Volksabstimmungen veranlassen. Im Bereich der Außen- und Verteidigungspolitik verfügt der Präsident über besondere Notstandsbefugnisse. Glaubt Macron angesichts dieser Bedeutung und Machtfülle des Amtes allen Ernstes, dass die Franzosen ihn wählen, weil er stärker behaart ist als das frühere Männlichkeitsidol Sean Connery?
2. Ob der Brustpelz des 44-jährigen Macron sexy oder unerotisch ist, darum geht es nicht. Alle Franzosen sprechen darüber, und dem Amtsinhaber gelingt es somit, Nichtwähler und Unentschlossene anzusprechen. Im ersten Wahlgang vor zwei Wochen blieb über ein Viertel der Wahlberechtigten zu Hause. Das könnten nun zudem viele tun, welche weder Macron noch seine Konkurrentin Marine Le Pen mögen, sondern einen der vor der nunmehrigen Stichwahl ausgeschiedenen Kandidaten bevorzugt hätten.
3. Neue Sachargumente gibt es nach einem monatelangen Wahlkampf sowieso nicht mehr. Also platzierte Macron seine Körperfotos auf Instagram im Internet, um auch Wählergruppen zu mobilisieren, welche an politischen Ideen und Konzepten kein Interesse mehr haben. Sollte Macron wiedergewählt werden, führt das zur Frage, ob letztlich Nacktbilder der perfekte Wahlhelfer wären.
4. In Österreich sollten wir uns darüber nicht lustig machen. Denn wir hatten im Nationalratswahlkampf 2013 das zweifelhafte Vergnügen, dass gleich zwei Spitzenkandidaten uns mit Bildern in Badehose und mit nacktem Oberkörper beglückten: Heinz-Christian Strache und Frank Stronach. Offenbar hatten sie sich das vom Boris Nemzow abgeschaut, der einst in Russland mit Wladimir Putin als „Posterboy“ halb nackt wetteiferte, wer die muskulösere Brust hat.
5. Warum nur, warum? Es ist ja nicht so, dass die genannten Herren so wunderschön wären, dass aufgrund ihrer Luxuskörper Männer automatisch in Bewunderung schwelgen und Frauenherzen dahinschmelzen. Wenn es geschickt gemacht wird, kann man dadurch trotzdem ein paar Wählerstimmen gewinnen. Die versteckte Botschaft ist oft „Ich bin einer von euch!“, also zeigen Männer sich auf dem Sofa, bei irgendwelchen Sportarten oder in der alpenländischen Variante als Volksmusiker.
Die versteckte Botschaft ist oft: „Ich bin einer von euch!"
Peter Filzmaier
6. Macht die Gegenpartei sich darüber voller Häme lustig, begeht sie einen schweren Fehler. Beispielsweise tourte bei uns 2006 der spätere Bundeskanzler Alfred Gusenbauer durch das Land, und zeigte sich beim Wandern kniefrei in körperbetonenden Leggings und mit bauchengem Leibchen. Attraktiv ist anders. Doch die spottenden Kommentatoren vergaßen, dass 99 Prozent der heimischen Tourengeher und Hobbyjogger ebenfalls nicht aussahen wie durchtrainierte Wunderläufer.
7. Wer auch ein paar Kilos zu viel an den Rippen und wenig elegante Kleidung um die Hüfte hatte, fühlte sich durch den Spott gekränkt. Gusenbauer gewann die Wahl. Kurioserweise gerade wegen seiner Unzulänglichkeit und ein bisschen infolge des ungeschickten Fotos. Weil es viele Wähler gab, welche der allzu künstlichen Hochglanzbilder überdrüssig waren.
8. Das ist genauso für Macron die Gratwanderung. So wie er sitzt im Alltag kein normaler Mensch herum. Sogar bei Sebastian Kurz, einem Meister der Bildinszenierung, war es irgendwann zu viel des Guten: Die Bilder in der Natur und auf den Bergen oder gar mit Kindern wirkten oft zu gestellt. Aber für alle Politikermänner gilt: 70 Prozent der Medienwirkung ist der optische Eindruck, weniger als zehn Prozent machen Inhalte aus.
9. Die Meisterklasse der Bildpräsentation von Politikern ist allerdings in den USA, wo Parteilisten unbekannt sind und man immer für Personen stimmt. In der Präsidentschaftswahl wird das für jenen Typen getan, den man sich vier Jahre lang bildlich im eigenen Wohnzimmer vorstellen kann. Im Wahlkampf wird mit Bildern eine persönliche Lebensgeschichte erzählt. Sportfotos etwa sollen da positive Charaktereigenschaften von fair und regeltreu bis teamfähig symbolisieren. Deshalb sahen wir Donald Trump mit Baseballkappe, obwohl er in Wahrheit nichts davon war.
10. Frauen in der Politik werden übrigens viel öfter ganz übel sexistisch nach ihrem Aussehen beurteilt statt gemäß ihren Fähigkeiten. Da müssen politische Männlein diese Kritik an ihrer Selbstdarstellung in Bildern aushalten. Die meisten Fotos der Politikermännchen als echte Kerle sind zudem mit technischen Hilfsmitteln geschönt. Wer weiß schon, wie die Brusthaare von Monsieur Macron wirklich aussehen?
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