Nachdem Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) mit seinen Aussagen zu einem möglichen Beitritt der Ukraine in die Europäische Union für Irritationen gesorgt hatte, gehen nun auch die Grünen auf Distanz zu ihm. Die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, erachtet demnach einen regulären EU-Beitritt der Ukraine als erstrebenswertes Ziel. Schallenberg dagegen zeigte sich „verwundert“ über „das breite Echo“, das durch seine Aussagen über einen möglichen EU-Beitritt der Ukraine ausgelöst wurde. Denn er habe „im Grunde nichts Neues gesagt“.
Dass Schallenberg bei einem EU-Beitritt der Ukraine weiterhin eher auf der Bremse steht, rief am Sonntag sogar den ukrainischen Außenamtssprecher auf den Plan: „Wir erachten diese Äußerungen für strategisch kurzsichtig, und sie entsprechen nicht den Interessen eines vereinten Europas“, sagte Oleh Nikolenko in einer offiziellen Reaktion. Er habe klargestellt, dass „die Ukraine ein Teil Europas“ sei, so Schallenberg. Aber er habe bereits im Februar mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bei seinem Besuch in der Ukraine besprochen, dass „ich nicht sicher bin, ob die Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union der einzige Weg ist“.
Ihm sei es als österreichischer Außenminister ein Anliegen, dass die Region Westbalkan, die seit Jahren im Warteraum zur EU stehe, nicht vergessen werde, betonte er erneut. Dabei bleibe er. „Wir müssen sehr aufpassen, welche Signale wir aussenden und wir müssen zweitens sehr vorsichtig sein, welche Erwartungshaltungen wir kreieren“, warnte Schallenberg.
Die östliche Partnerschaft könne „nicht mehr weiter existieren, weil ein Staat brutal von einem Drittstaat angegriffen wurde, ein anderer hat de facto seine Souveränität mehr oder weniger aufgegeben - nämlich Belarus“. Abgesehen von der EU-Vollmitgliedschaft gebe es aber „alle möglichen Formen von Drittstaaten, die enge Anbindungen haben an die Europäische Union“, so Schallenberg unter Verweis auf die Schweiz, Großbritannien, Norwegen oder Island. „Ich glaube, dass wir hier noch einigen Diskussionsbedarf haben“, sagte er. „Wir haben immer gesagt, dass es keine Abkürzung - also einen Fast Track - geben“ dürfe, sondern dass der EU-Beitritt ein Prozess sei, der seine Stufen habe.
„Vollmitgliedschaft muss unser Ziel sein“
Ukrainische Onlinemedien werteten Schallenbergs Vorschlag, ein „maßgeschneidertes Angebot der engstmöglichen Anbindung“ statt der Eingliederung in „vorgefertigte Schablonen“ daraufhin als Ablehnung eines Beitritts. Die Grüne Außensprecherin Ernst-Dziedzic zeigte sich am Montag bemüht, das Image wieder etwas geradezurücken. „Eine Vollmitgliedschaft der Ukraine muss unser Ziel sein“, erklärte sie in einer Aussendung. Die Ukraine brauche „selbstverständlich“ eine „EU-Perspektive“.
„Weiß nicht, was mit Schalli los ist“
Auch im Umfeld von EU-Kommissar Johannes Hahn dürften Schallenbergs Äußerungen für Unverständnis gesorgt haben. „Ich weiß nicht, was mit Schalli in letzter Zeit los ist, sehr unglückliche Aussagen, auch zur Neutralität ...“, hieß es am Sonntag in einem über Hahns Account verbreiteten Tweet unter Verwendung des „Ratlos“-Emojis. Auf Nachfrage des ORF hieß es dann, ein Mitarbeiter Hahns habe den - mittlerweile wieder gelöschten - Tweet verschickt.
Russland offenbar erfreut
Durchaus wohlwollende Stimmen dazu kommen hingegen aus Russland: Im gleichgeschalteten russischen Nachrichtenaggregator news.yandex.ru avancierten Schallenbergs Äußerungen am Sonntag mit Dutzenden Online-Berichten in ganz Russland zu einer der wichtigsten Nachrichten des Tages.
Beitritt im Schnellverfahren?
Erst am Dienstag hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den offiziellen Fragebogen für einen EU-Beitritt seines Landes dem Botschafter der Europäischen Union übergeben - das Papier gilt als Grundlage für Beitrittsgespräche.
„Wir erwarten, dass die europäische Antwort schnell erfolgen wird“, zeigte er sich optimistisch. In der Ukraine erwartet man bereits ab der nächsten EU-Ratssitzung den Status eines Beitrittskandidaten zu erhalten.
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