Souverän? Unsicher?

Experte analysiert die Körpersprache der Mächtigen

Ausland
26.04.2022 06:00

Wer wirkt souverän, wer unsicher? Ein heimischer Experte analysiert unsere Spitzenpolitiker - und ein Bild, das um die Welt ging: Kriegsherr Putin, wie er sich an einem Tisch festhält.

Wladimir Putin sitzt für ihn ungewöhnlich (in der Corona-Zeit war es bisher immer der berühmte meterlange Kreml-Tisch) nahe zu seinem Verteidigungsminister Sergej Schoigu und hält dabei die Kante fest. Eine Szene, die für wilde Spekulationen über den Gesundheitszustand des Kreml-Chefs sorgt. Seine Mimik wirkt starr. Für Stefan Verra, Experte für Körpersprache, hat diese Handhaltung wenig Bedeutung.

Ein Urteil über seinen Gesundheitszustand aus 3000 Kilometer Entfernung zu machen sei unseriös und unwissenschaftlich. Das sei Sache der Mediziner. Allerdings wirke sein Gesicht aufgeschwemmter als früher. „Putin war schon immer sehr zurückhaltend“, erklärt Verra. Der gebürtige Osttiroler analysiert den russischen Präsidenten seit 15 Jahren – unter anderem in seinem Buch „Die Körpersprache der Mächtigen“. Er macht das ausschließlich an Bewegtbildern, niemals an Fotos. Denn Körpersprache erkenne man ausschließlich an Bewegung.

„Wenn ein Mensch wenig Ausdruck zeigt, bleibt Raum für Spekulationen. Manche sehen ihn als Produkt des KGB. Der KGB formt keine Körpersprache. Es ist umgekehrt, nur Menschen mit solcher Körpersprache setzen sich beim KGB durch“, so Verra. Im Übrigen zeigen auch Merkel und Kanzlerin-Nachfolger Scholz wenig Mimik. Weiters sehen wir Putin seit 25 Jahren beim Altern zu. Da nehmen Tempo und Deutlichkeit der Bewegung natürlich ab. Damit wird er noch undurchsichtiger für uns.

Kreml-Chef macht seine Gesprächspartner klein
Der Ex-Agent ist ein Meister der Bildersprache. So hat er vor Kriegsausbruch mit der Wahl eines extralangen Tisches bei Gesprächen mit Emmanuel Macron und Olaf Scholz seine Gesprächspartner klein gemacht. „Er kann nur gewinnen, wenn er im Inland unumstritten ist, und dazu muss er Szenen der Machtdemonstration schaffen. Mit Bildern zeigt er: Shoigu rapportiert mir, und das ist entscheidender, als ob er sich mit der rechten Hand wo anhält.“ Putin markiert damit seine Alphaposition, er ist der Chef und hat die Kontrolle.

Und wie sieht Verra die Wirtschaftsbosse Mark Zuckerberg oder Jeff Bezos? „Zuckerbergs Mimik ist ausdrucksschwach. Das macht es schwer, ihn einzuordnen.“ Bezos hingegen zeigt eine talentierte Körpersprache, Humor und Strenge wechseln sich ab. Joe Biden, Chef der Supermacht USA, habe deutlich an Tempo verloren.

Auch unsere Partei-Chefs hat er unter die Lupe genommen:

Karl Nehammer, Kanzler und ÖVP-Parteichef
War er als Innenminister der strenge Law-and-Order-Mann, hat er als Kanzler eine beeindruckende Wandlung hinter sich. Seine Stimme wurde leiser, er legt beim Reden Pausen ein und wendet sich den Menschen aufmerksam zu. Dies zeigt Dialogbereitschaft.

Werner Kogler, Vizekanzler und Grünen-Chef
Der grüne Vizekanzler wirkt in sich gekehrt, zeigt wenig Blickkontakt. Bei der Wahl konnte er damit gegen das allzu glatte Auftreten der Türkisen punkten. Doch jetzt fällt ihm seine kauzige Art auf den Kopf. Seine Körpersprache wirkt wenig zielgerichtet.

Pamela Rendi-Wagner, SPÖ-Parteichefin
Die SPÖ-Chefin versucht sehr deutlich zu sprechen und betont dabei stark ihr Unterkiefer. Ihr Auftreten drückt Erhabenheit aus. Das schafft eine Barriere. Ihre Botschaft, die sie damit versendet: Die ist keine von uns.

Beate Meinl-Reisinger, NEOS-Chefin
Die NEOS-Frontfrau hat körpersprachlich das größte Talent unter den Partei-Spitzen. Sie kann zornig sein, streng sein und lauthals lachen, ist mal selbstironisch und spricht sogar im Dialekt. Sie fällt mit dieser Bandbreite auch international auf.

Herbert Kickl, Bundesparteiobmann FPÖ
Der FPÖ-Boss ist laut. Nach Strache und Haider trat er ein schweres körpersprachliches Erbe an. Locker sein und lächeln fallen ihm schwer. Wenn ein Politiker nur eine Emotionalität verkörpert, bekommt er auch nur eine Zielgruppe.

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