Reserven geöffnet

28 Staaten machen Druck auf Erdöl-Konzerne

Ausland
24.06.2011 09:27
In einer konzertierten Aktion machen seit Donnerstagnachmitag insgesamt 28 Länder der Ölbranche mächtig Druck. Die in der "Internationalen Energieagentur" zusammengeschlossenen Länder - darunter die USA, Deutschland, Frankreich und auch Österreich - bringen in den nächsten 30 Tagen teils erhebliche Mengen an Rohöl aus ihren Reserven auf den Markt. Benzin und Diesel sollen dadurch schon bald billiger werden.

Die kurzfristig am Donnerstag angekündigte Maßnahme hat freilich nicht nur mit den hohen Spritpreisen und dem Leid der Autofahrer und Konsumenten zu tun, es geht auch darum, die Weltwirtschaft anzukurbeln. Nach einem schwachen Konjunkturausblick der US-Notenbank Fed war der Ölpreis schon im Verlauf des Donnerstags merklich gefallen. Alle Schleusen öffneten sich schließlich, als die Internationale Energieagentur ankündigte, 60 Millionen Barrel an Rohöl auf den Markt zu werfen - offiziell, um damit die Förderausfälle aus dem kriegsgebeutelten Libyen auszugleichen.

Der Preis für ein Fass (je 159 Liter) der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) sank bis zum späten Donnerstagnachmittag unserer Zeit um rund 4 Prozent auf unter 91 Dollar. Auch die Nordseesorte Brent gab ähnlich stark nach. Ölkonzerne kritisierten die Maßnahmen am Donnerstag als "unnötige Störung des Marktes". 

60 Millionen Barrel binnen 30 Tagen
Die IEA begründete den überraschenden Schritt damit, dass die Ausfälle im bürgerkriegsgebeutelten Libyen stärker seien als bisher angenommen. Zudem könnte der im Sommer übliche Anstieg der Nachfrage in den Ölraffinerien zu Engpässen führen. Die Ölproduktion, die vor Krisenbeginn bei etwa 1,2 Millionen Barrel lag, werde wohl mindestens bis Jahresende ausfallen. Um die Lücke zu füllen, würden in den kommenden 30 Tagen jeweils zwei Millionen Barrel aus den Ölreserven auf den Markt geworfen. Der tägliche weltweite Ölverbrauch liegt zwar bei fast 90 Millionen Barrel, die Reservemengen werden nach Ansicht von Experten aber dennoch großen Einfluss auf den sensiblen Ölmarkt haben.

Alleine 30 Millionen Barrel stellen die USA zur Verfügung. Dazu zapfen sie ihre strategischen Ölreserven an, wie das Energieministerium erklärte. Die Reserven seien derzeit auf einem historischen Höchststand von 727 Millionen Barrel. Das Öl gelangt nach und nach in den kommenden 30 Tagen auf den Markt. "Wir werden die Situation weiter beobachten und stehen für zusätzlich nötige Schritte bereit", sagte Energieminister Steven Chu.

Österreich trägt die Flutungsaktion als Mitglied der IEA zwar mit, wurde aber "aufgrund des geringen möglichen Beitrags" von weniger als ein Prozent der 60 Millionen Barrel von der IEA nicht für eine Beteiligung vorgesehen, hieß es aus dem zuständigen Wirtschaftsministeriums am Freitag gegenüber krone.at. "Dazu kommt: Österreich hält seine Notstandsreserven grundsätzlich für tatsächliche Versorgungsengpässe bereit, die es derzeit aber trotz der Folgen der Libyen-Krise nicht gibt."

Frankreich fordert Spritpreissenkungen
Der französische Industrieminister Eric Besson hat am Donnerstagabend die Mineralölkonzerne zu einer sofortigen Spritpreissenkung aufgefordert. Die Unternehmen stünden nun in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die Entscheidung der IEA auch bei den privaten Haushalten ankomme, erklärte Besson. Der französische Mineralölkonzern Total habe seine Forderung bereits "zustimmend" zur Kenntnis genommen, so der Industrieminister.

Deutschland zapfte am Donnerstag erstmals seit 2005 wieder seine strategische Ölreserve an. Berlin gibt insgesamt 4,2 Millionen Barrel beziehungsweise rund 570.000 Tonnen Rohöl oder Ölprodukte seiner Vorräte für den Markt frei. Die Menge ist aber nur ein Bruchteil der deutschen Notreserven, die 25 Millionen Tonnen Rohöl und Erdölfertigprodukte umfassen und für 90 Tage reichen müssen.

Aus Japan und Korea hieß es, man werde nächste Woche mit dem Verkauf von Reservekontingenten beginnen. Japans Wirtschaftsminister Kaoru Yosano bezeichnete die Aktion als "Warnschuss" gegen Rohstoff-Spekulanten. Japan und Korea bringen gemeinsam rund ein Fünftel der 60 Millionen Barrel auf.

Aktion wirkt wie 140-Milliarden-Dollar-Konjunkturpaket
Es ist erst das dritte Mal in der Geschichte der 1973 gegründeten IEA, dass die Mitgliedsländer ihre Ölvorräte geschlossen antasten. 1991 wurde während des Golfkriegs eine ähnliche Aktion gestartet, das zweite Mal 2005 nach Hurrikan "Katrina". Das Ziel sei, so IEA-Chef Nobuo Tanaka, dass die Weltwirtschaft weich lande. Vor allem den Amerikanern dürfte daran gelegen sein. Die US-Notenbank hatte erst am Mittwochabend die Konjunkturerwartungen für die USA leicht gesenkt und die Leitzinsen unverändert bei faktisch Null belassen.

Das Wachstum der US-Wirtschaft werde schwächer als erwartet ausfallen und der Rückgang der Arbeitslosigkeit verlaufe "frustrierend langsam", hieß es. An den Märkten ging die Sorge um, dass die größte Volkswirtschaft der Welt weniger Öl verbraucht - was auf die Preise drückte. Außerdem hätten die jüngsten Kursgewinne des US-Dollars die Ölpreise zusätzlich unter Verkaufsdruck gesetzt, sagten Händler. Rohöl wird in Dollar gehandelt und ein Anstieg der Leitwährung dämpft in aller Regel die Kauflaune.

Laut Berechnungen der Investmentbank JPMorgan Chase gleicht die Aktion der IEA-Länder einem Konjunkturpaket im Umfang von 140 Milliarden Dollar, das zum Großteil den Konsumenten zugutekommen werde. Vor allem die Bürger in USA würden profitieren, aber auch in Asien und Europa sollten sich Effekte bemerkbar machen.

Wird Sprit noch vor Sommerferien billiger?
Ob mit dem Auto reisende Urlauber rechtzeitig mit Beginn der Sommerferien in den Genuss günstigeren Benzins kommen, bleibt abzuwarten. Derzeit kostet in Österreich das Befüllen eines 50-Liter-Dieseltankes rund 68 Euro, ein Benzintank schlägt sich mit 72 Euro zu Buche, hieß es am Freitag vom Verkehrsclub. Günstiger ist es, einen Benzintank in Kroatien und Slowenien bzw. einen Dieseltank in Frankreich, Ungarn, Kroatien und Slowenien vollzutanken. Hier sind wiederum die Türkei, Griechenland, Tschechien, Italien und Deutschland hochpreisiger. Beim Benzin ist es in Griechenland, Frankreich, Türkei, Italien, Deutschland und Tschechien teurer.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Kostenlose Spiele
Vorteilswelt