Schüler, die Gleichaltrige in Oberösterreich sexuell misshandeln, Jugendliche, die in Innsbruck wegen Vergewaltigung und schwerer Körperverletzung vor Gericht stehen. Die Jugend scheint gewaltbereiter zu werden. Die „Krone“ startete einen Rundruf und bat Experten um ihre Einschätzung der aktuellen Situation.
„Ich kann nicht sagen, dass mehr Fälle auftreten. Was aber auffällt, ist die zunehmende Brutalität“, meint Phillip Scheiring, Leiter des Jugendzentrums in Imst. Auffällig bei schweren Körperverletzungen der letzten Jahre in Imst: „Einer hat immer mitgefilmt.“ Scheiring, der ein solches Video selbst einmal zu Gesicht bekommen hat, vermutet, dass sich die Jugendlichen von Online-Videos Kampftaktiken abschauen.
Wenn man das sieht, dann schaut das ziemlich krass aus – die raufen nicht, das sind Streetfighter.
Phillip Scheiring, Jugendzentrum Imst
Auch mangelnde Erziehung und psychische Störungen hält Scheiring für Auslöser der Gewalt. „Die Pandemie hat sicher auch ihren Teil beigetragen.“
„Teenager haben Problem mit Erwachsenwerden“
Kollege Helmut Schumacher, Leiter des mk-Jugendzentrums in Innsbruck, hat indes nicht beobachtet, dass die Kriminalität unter den Jugendlichen zugenommen hat. Es komme vor, dass es einmal lauter wird oder Glasscherben vor dem Zentrum liegen. Gewalt sei aber nie im Spiel und auch die Polizei müsse nicht anrücken. Schumacher stellt bei den Jugendlichen jedoch fest, „dass sie durch beinahe zwei Jahre Isolation Probleme mit dem Erwachsenwerden haben und oft mit sich alleine nicht klarkommen“. Er meint, dass in den nächsten Jahren nicht die Kriminalität das Problem sein dürfte, sondern psychische Krankheiten als Folge der Pandemie.
Soziales verlagerte sich in der Pandemie ins Internet
Petra Sansone, Geschäftsführerin der Tiroler Kinder und Jugend GmbH, macht Corona ebenfalls Sorgen. Dadurch wurden Möglichkeiten für soziales Lernen stark eingeschränkt: „Vieles an Austausch und Orientierung hat sich in Medien verlagert. Natürlich sind Jugendliche dort auch Einflüssen und Trends ausgesetzt, die nicht förderlich sind.“
Sansone beruft sich auf die Polizei. Diese berichte von einer Zunahme der Gewaltintensität. Und: „Auch im Schulsystem verzeichnet man eine höhere Anzahl an Suspendierungen und körperlichen Übergriffen.“
Auffälligkeiten frühzeitig erkennen und handeln
Von Tirols Bildungsdirektion meldet sich Brigitte Thöny zu Wort. Sie sagt, dass die Gewaltbereitschaft durch soziale Medien verstärkt wird. „Auf den sozialen Plattformen findet oft eine unreflektierte Meinungsäußerung statt. Jugendliche lassen ihren Emotionen unkontrolliert freien Lauf und hinterfragen ihr Verhalten oft erst hinterher.“ Auch Thöny findet, dass die Corona-Pandemie ein wesentlicher Faktor sei, der die Jugendgewalt verstärkt hat: „Die Schule hat unter anderem die Aufgabe, die Kinder innerhalb einer Gruppe zu erziehen“, betont Thöny. Durch die fehlende Klassenstruktur hätten viele junge Menschen ihre Zugehörigkeit verloren.
Zeigt ein Kind gewalttätiges oder aggressives Verhalten, müssen Eltern unterstützend reagieren. Es ist wichtig, der Ursache auf den Grund zu gehen. Eltern sollten nicht mit Vorwürfen reagieren, sondern klar zeigen, dass sie dem Kind helfen wollen. Zudem kann man sich an die Schulpsychologen oder an die Beratungsstellen wenden, die auf der Seite der Bildungsdirektion unter bildung-tirol.gv.at angeführt sind.
Das Wichtigste sei, auffälliges Verhalten bei Heranwachsenden frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren, so Thöny: „Wenn ein Kind plötzlich impulsiv reagiert oder bei Kleinigkeiten ein aggressives Verhalten zeigt, liegt es vor allem an den Eltern, rasch zu handeln.“
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