Große StVO-Novelle

Radfahren und Zufußgehen attraktiver & sicherer?

Politik
29.04.2022 12:39

Eine umfassende Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) soll Radfahren und Zufußgehen sicherer und attraktiver machen. „Die Spielregeln stammen zum Teil noch aus den 1960er-Jahren“, sagte Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Freitag. Zukünftig wird beim Radverkehr unter anderem Rechtsabbiegen bei Rot oder Nebeneinanderfahren möglich sein, fußgängerfreundlichere Ampelschaltungen und neue Regeln an Öffi-Haltestellen kommen ebenfalls.

Im Zuge der StVO-Neuerungen werde es beim Radfahren in Zukunft auch möglich sein, die Einbahnen weitgehender zu nutzen, wenn diese ohne Parkplätze mindestens vier Meter breit sind und maximal Tempo 30 gilt. Die jeweilige Behörde muss sie dann verpflichtend für den Radverkehr öffnen und beschildern, außer sie begründet, dass die Sicherheit nicht gegeben ist. Den Verkehr per Rad hob Gewessler besonders hervor, denn „wir sehen, dass Radfahren ein wesentliches Fortbewegungsmittel unserer Zukunft werden wird“.

(Bild: APA/TOBIAS STEINMAURER)
(Bild: APA/HANS PUNZ)
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Wir sehen, dass Radfahren ein wesentliches Fortbewegungsmittel unserer Zukunft werden wird.

Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne)

Mit den Änderungen soll auch ein Beitrag zur Verkehrswende geschafft werden, sagte die Ministerin, denn „nach wie vor sind 40 Prozent aller Autofahrten kürzer als fünf Kilometer“ - eine Distanz, die mit dem Fahrrad problemlos bewältigbar sei. ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger empfahl bei weiteren Distanzen das Elektrofahrrad und wies auf den neuen „Mindestabstand beim Überholen eines Radfahrers“ als Teil der Novelle hin. Außerorts, etwa auf Landstraßen, sind dann zwei Meter minimal notwendig, so Ottenschläger unter Hinweis auf die Sogwirkung, innerorts reichen 1,5 Meter - und man nehme auf die Vorgaben aufgrund der Infrastruktur Rücksicht, indem bei engen Gassen oder 30 km/h-Zonen Ausnahmen möglich seien.

(Bild: APA/TOBIAS STEINMAURER)

Stärkung der Fußgänger-Rechte
Aber, „ganz egal ob am Rad oder zu Fuß“, für beide Möglichkeiten der aktiven Mobilität soll durch die Novelle mehr Platz geschaffen werden, um sicher unterwegs zu sein, erläuterte die Ministerin - und das gelte auch für Menschen im Rollstuhl oder mit Rollator und Kinderwagen. „Fußgänger sind wir ja alle“, stellte Gewessler fest und nannte für diese „den Vorrang auf den Gehwegen“, die Regelung an Öffi-Haltestellen - rechts von diesen befindliche Fahrzeuge müssen ausnahmslos stehen bleiben, solange Fahrgäste ein- und aussteigen -, und die fußgängerfreundlicheren Ampelschaltungen, mit schnelleren und längeren Grünphasen.

Eine fußgängerfreundliche Ampelschaltung sei „dringend notwendig“, war auch der ÖVP-Verkehrssprecher überzeugt und nannte die einheitliche Lösung bei den Schulstraßen, die mit einem eigenen Verkehrszeichen in die StVO aufgenommen wird, als weiteren wichtigen Punkt. Ebenso werden große Lkw bald nur noch in Schrittgeschwindigkeit rechts abbiegen können. Der Klimaschutzsprecher der Grünen, Lukas Hammer, bezeichnete die aktive Mobilität als den „größten ungehobenen Schatz der Verkehrspolitik“. „Viele Menschen haben einfach Angst“, aber die Vision hinter der Novelle sei, dass alle die Möglichkeit haben, auf diese Bewegungsformen zuzugreifen - nicht nur die Mutigen.

Weitere Maßnahmen durch KFG-Novelle
Gewessler kündigte unter Hinweis auf die am vergangenen Mittwoch beschlossene Novelle des Kraftfahrgesetzes (KFG) weitere Maßnahmen im Zuge des dritten Teilpakets gegen Raser an, wo dann auch die Möglichkeit der Fahrzeug-Beschlagnahme besprochen werden soll. Die Begutachtung der StVO-Novelle ist bis 1. Juni angesetzt.

Schon viel Kritik an StVO-Novelle
In einer ersten Reaktion des ÖAMTC stellte dessen Verkehrsjurist Matthias Wolf fest, dass eine endgültige Bewertung der Novelle erst möglich sei, wenn der Entwurf vorliegt. Trotzdem kritisiert der ÖAMTC-Experte die geplante Roteinbiege-Regel per Grünpfeil für Radfahrer: „Laut Statistik ereignet sich die Hälfte aller Unfälle mit Radfahrenden an Kreuzungen. Es ist daher nicht nachvollziehbar, wieso gerade dort mit komplizierten Regeln noch mehr Unsicherheit geschaffen wird.“ Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) lobte hingegen die Neuerungen und bezeichnete sie als „längst überfälligen Schritt“, denn so bekomme „Österreich endlich Regelungen, die in anderen europäischen Staaten schon lange gang und gäbe sind“.

Das Kuratorium für Verkehrssicherheit will hingegen umfassendere Maßnahmen für die Verkehrssicherheit. Die Zahl der Verkehrstoten steige, Radfahrer und Fußgänger dürften nicht durch hohe Geschwindigkeiten oder Drogenlenker gefährdet werden und es brauche essenzielle Infrastrukturmaßnahmen. FPÖ-Verkehrssprecher Christian Hafenecker ortete indes ein „Unsicherheitspaket“, denn mit Rechtsabbiegen bei Rot oder dem Fahren gegen die Einbahn für Radfahrer „werden gefährliche Verkehrssituationen geradezu geschaffen und Unfälle provoziert“, erklärte er. Und mit der Überholregel werde „der Keil zwischen die verschiedenen Gruppen von Verkehrsteilnehmern noch tiefer getrieben“, denn die Ausführung sei im Alltag „praktisch unmöglich“.

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