Der Quartiersentwickler Markus Schadenbauer spricht im Interview über die große Bedeutung eigentümergeführter Geschäfte und er erklärt, warum Handelszonen nicht endlos wachsen sollten.
Krone: Hohenems, wo Sie maßgeblich an der Neugestaltung mitgewirkt haben, war viele Jahre eine Art „Durchzugsstadt“ - man ist halt durchgefahren, mehr nicht.
Markus Schadenbauer: Stimmt. Früher ging der komplette motorisierte Verkehr durch die Innenstadt. Eine untragbare Situation, sodass jeder, der konnte, aus der Marktstraße weggezogen ist. Die wenigen, die geblieben sind, haben straßenabgewandt gewohnt, was zu einer Leerstandsentwicklung geführt hat.
Zur Person:
Markus Schadenbauer ist Geschäftsführer der Schadenbauer Projekt- und Quartierentwicklungs GmbH. Der gebürtige Bregenzerwälder lebt in Hohenems und wirkt seit vielen Jahren in enger Zusammenarbeit mit Stadt und Investoren federführend am Entwicklungsprozess in der Nibelungenstadt mit.
Krone: Auch was den Handel angeht, war die Stadt nicht gut aufgestellt. Heute schaut das anders aus. Wie kam es dazu?
Schadenbauer: Nachdem die Stadtumfahrung 2010 realisiert wurde, hat man gemerkt, wie menschenleer die Innenstadt tatsächlich war. Es musst also etwas getan werden. Im Hinblick auf den Handel lag und liegt Hohenems im Spannungsfeld zwischen Dornbirn und Götzis. Die Entscheidung, quasi als Alleinstellungsmerkmal nicht auf dieselben Geschäfte bzw. Ketten zu setzen, war daher schnell gefallen. Abgesehen davon wäre die Ansiedlung großer Ketten aufgrund der kleinteiligen Strukturen in der der seit 2010 unter Denkmalschutzstehenden Marktstraße auch gar nicht möglich gewesen. Also hat die Stadt beschlossen, sich auf eigentümergeführte Ladenlokale mit individuellen Geschäftsideen zu fokussieren. Für derartige Geschäfte passt es auch, sich in qualitativ hochwertig sanierten Häusern anzusiedeln.
Es geht in jeder Hinsicht um Qualität, nicht um Quantität. Ebenso wurde von Beginn weg ein starkes Augenmerk auf Wege für die sanfte Mobilität gelegt.
Markus Schadenbauer
Krone: Inwiefern hat der Mietpreis eine Rolle gespielt? Immerhin war in der Stadt damals ja so gut wie nichts los - da hätte man sich ja durchaus niedrige Mieten erwarten können.
Schadenbauer: Von der Frequenz her wäre das sicherlich ein Argument gewesen. Aufgrund der hochwertigen Sanierungen mussten wir jedoch auf Dauer gewisse Mieten ansetzen. Es gab aber in den ersten Jahren vonseiten der Stadt Zuschüsse sowie reduzierte Mieten von den Investoren.
Krone: Wann hat sich das Blatt denn in Richtung reges Geschäftstreiben gewendet?
Schadenbauer: 2014 hatten wir die ersten Neuansiedlungen in der Markstraße. Danach ging es zügig voran. Einerseits, weil Hohenems durch den Stadtentwicklungsprozess immer attraktiver wurde und sich sehr engagierte. Andererseits aber wohl auch, weil die Händler jede Menge Unterstützung bekamen - nicht nur finanziell. So haben wir gemeinsam mit den Unternehmern die Businesspläne angeschaut und, wenn nötig, überarbeitet. Außerdem wurden fünfjährige unkündbare Mietverträge vereinbart, denn wir wollten, dass sich die Unternehmer zum Standort Hohenems bekennen. Das Konzept ist aufgegangen, immerhin hatten wir bis dato nahezu keine Ladenschließung. Im Gegenteil: Einige Geschäfte wurden bereits an die nächste Generation bzw. Nachfolger übergeben. Und selbst während Corona gab es keine Schließungen.
Krone: Vom Angebot her ist man breit aufgestellt.
Schadenbauer: Von Anfang an war klar, dass Hohenems Vielfalt bieten soll - von der Buchhandlung bis zum Blumenladen am Beginn der Markstraße. Dieser war übrigens eine Idee, die im Rahmen des Visionscafés entstanden ist - also eine Idee aus der Bevölkerung (Anm.: Das Visionscafé bietet Bürgern die Möglichkeit, sich in noch zu sanierenden oder bereits sanierten Häusern zu treffen, Fragen zu stellen, Ideen einzubringen und Bedenken zu äußern). Für die Suche nach den richtigen Betreiberinnen für den Blumenladen haben wir uns fast ein Jahr Zeit gelassen. Was unter aanderem damit zu tun hat, dass wir sehr viel Wert darauf legen, dass die Geschäftsleute, die sich in Hohenems niederlassen, unser nachhaltiges Gedankengut mittragen und auf Regionalität setzen.
Krone: Eine sehr umfassende Herangehensweise also.
Schadenbauer: Ja. Es ist tatsächlich so, dass bei jedem einzelnen Haus viele unterschiedliche Gedanken eingeflossen sind. Beispielsweise wurden Innenhöfe bewusst nicht verbaut, obwohl klar war, dass dadurch Nutzfläche verloren geht. Qualität steht für uns immer vor Quantität. Ebenso wurde von Beginn weg ein starkes Augenmerk die sanfte Mobilität gelegt.
Entscheidend ist, dass Hohenems sein eigenes Gesicht weiter zeichnet und dieses schärft – wie andere Städte und Gemeinden in der Region.
Markus Schadenbauer
Krone: Und was steht aktuell auf der Agenda - abgesehen vom Rathausquartier?
Schadenbauer: Einiges. Um noch einmal auf das breite Angebot zurückzukommen: Wir wollten keine reinen Einkaufsgassen, die abends ausgestorben sind. Entsprechend brauchen wir eine Mischnutzung aus Handel, Dienstleistern und Wohnungen. Der Handel darf noch um den einen oder anderen Frequenzbringer ergänzt werden. An der Ansiedlung von Dienstleistern arbeiten wir gerade sehr intensiv. Und was die Wohnungen angeht, setzen wir auf, wenn man so möchte, qualitätsvolles Wohnen mit Geschichte - Dachgeschoße mit alten Holzbalken und Dachgiebeln, zweigeschossige Wohnungen und so weiter. Natürlich unterscheidet sich das von Neubauten auf der grünen Wiese, aber es ist eben auch etwas Besonderes. Und es gibt mittlerweile viele Menschen, die bewusst nach Ems ziehen beziehungsweise hierher zurückkommen. Das sind im Übrigen Menschen, die vielfach ein anderes Verständnis hinsichtlich Mobilität haben - und auch haben müssen. So gibt es etwa in der Marktstraße doppelt so viele Wohneinheiten wie Parkplätze. Selbstverständlich liegt vieles in fußläufiger Distanz. Und was den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs angeht: Da ist immer Luft nach oben.
Krone: Was bringt die Zukunft?
Schadenbauer: In absehbarer Zeit ein neues Rathausquartier (lacht). Abgesehen davon sind wir uns im Hinblick auf den Handel einig, nicht endlos wachsen zu wollen. Vielmehr zielen wir darauf ab, dass die Wertschöpfung im Wesentlichen dem Saldo der Bevölkerung entspricht. Es darf nicht so weit kommen, dass die Gemeinden einander etwas wegnehmen. Konkurrenz ist bis zu einem gewissen Maß gut und wichtig - noch mehr aber soll ein wertvoller Austausch gefördert werden. Entscheidend ist, dass Hohenems sein eigenes Gesicht weiter zeichnet und dieses sich ergebende Profil schärft - wie andere Städte und Gemeinden in der Region. Und dass Ems langfristig eine lebenswerte Stadt bleibt.
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