Wir fahren mit und hören zu. „Krone“-Reporter Robert Fröwein setzt sich auf die Taxi- oder Uber-Rückbank und spricht mit den Fahrern über ihre Erlebnisse, ihre Sorgen, ihre Ängste. Menschliche Geschichten direkt aus dem Herzen Wiens.
Bei meiner heutigen Unterhaltung habe ich Glück. „Normalerweise habe ich mittwochs immer frei, aber ich bin für einen Kollegen eingesprungen“, erzählt mir Klaus, als er mich nach einem Termin in der Nähe der Gasometer-Türme im elften Bezirk einsteigen lässt. Schon nach den ersten Gesprächsfetzen wird mir klar, dass diese Fahrt eine besondere werden wird. Die Leidenschaft, mit der Klaus sein Auto lenkt, ist beispiellos. Der übliche Stau am Gürtel in der Rushhour bringt ihn ebenso wenig aus seiner stoischen Ruhe wie die rasanten, niemals blinkenden Spurwechsler in ihren tiefergelegten 3er-BMW, von denen wir gleich mehrmals ausgebremst werden. Klaus verzieht noch nicht einmal den Mundwinkel.
„Am besten ist es dann, wenn ich mit dem Verkehr eins werde“, predigt er mir meditierend vor und ich merke, wie ich mich nach einem gehetzten Termin selbst schnell dem Ruhepuls nähere, „heute habe ich erst einen Kaffee getrunken und noch nicht einmal einen Energydrink gebraucht.“ Klaus gleitet geschmeidig zwischen zweiter und dritter Gürtelspur, den Radio (seinem Gemüt entsprechend natürlich Ö1) lässt er der Unterhaltung zuliebe ausgeschaltet. Die sanfte Federung seines Mercedes tut das Übrige zum entspannten Fahrvergnügen. „Ich kann im Taxi richtig abschalten. Normal unterhalte ich mich auch nicht groß mit Gästen, die meisten wollen eh nicht reden.“
Klaus erzählt mir, dass er ausschließlich Tag-Schichten nach dem standardisierten Arbeitsrhythmus fährt. Sprich: wochenends hat er frei und in den Nächten setzt er sich nur im äußersten Notfall hinters Steuer. „Meistens fahre ich von 8 bis 20 Uhr, eine Zwölfstundenschicht“, fügt er erklärend hinzu, „ich bin bei den ersten zwei bis drei Fahrten etwas angespannt, aber dann geht’s schnell dahin. Irgendwann läuft alles wie auf Schiene und ich bin wie in Trance.“ Im Gegensatz zu fast allen Taxlern und Uber-Fahrern, die ich sonst so treffe, ist Klaus zudem dezidierter Fan der öffentlichen Verkehrsmittel. „Man sollte das in meiner Zunft nicht so laut sagen, aber ich fahre privat, wenn es aus Wien rausgehen muss, alles mit dem Zug. Das ist stressfreier und günstiger. Außerdem kann ich dort in Ruhe lesen. Ich selbst besitze momentan gar kein Auto.“
In jüngeren Jahren hatte Klaus hochgesteckte Pläne, aber viel zu wenig Geduld. „In meiner jugendlichen Sturm-und-Drang-Phase habe ich mir eingebildet, auf der TU Wien Technische Chemie zu studieren“, denkt er lachend zurück, „das war dann in mehrfacher Hinsicht ein bisschen zu viel für mich.“ Später versuchte er sich im musikalischen Bereich und überlegte, sein Interesse und Wissen an Geschichte sinnbringend als Lehrer weiterzuvermitteln. „Ich war nicht ehrgeizig genug, das habe ich schon damals bemerkt.“ Klaus kommt aus der niederösterreichischen Diaspora und hat trotz aller Widrigkeiten sein größtes Hobby zum Beruf gemacht. „Ich bin schon immer gerne mit dem Auto gefahren und da es mit allen anderen Plänen nicht geklappt hat, bin ich irrsinnig froh, dass das Taxifahren bei mir aufgegangen ist.“
Die Romantik seiner Profession spürt Klaus vor allem dann, wenn er über die üblichen Businessstrecken hinausfahren kann. „Die meiste Zeit bin ich natürlich in der Innenstadt unterwegs, das ist natürlich durch die Touristen und Geschäftsleute bedingt. Aber manchmal geht es auch weiter raus. Etwa in die Natur nach Liesing oder Hietzing, oder wenn ein verliebtes Paar mit mir auf den Kahlenberg fährt, um dort die Zweisamkeit zu genießen. Letztens war ich auf der Jubiläumswarte und hinten bei den Steinhofgründen. Das ist auch für mich herrlich, denn in Wien gibt es so viele schöne Ecken, in denen man Ruhe und Entspannung finden kann.“ Klaus findet sie manchmal auch im schwersten Berufsverkehr am Ring, denn: „Fahren ist das Schönste, das es gibt.“
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