Historischer Sieg
Nordirland-Wahl: Sinn Fein erstmals stärkste Kraft
Die katholisch-republikanische Partei Sinn Fein ist erstmals als stärkste Kraft bei der Parlamentswahl in Nordirland hervorgegangen. Das stand nach Auszählung der meisten Stimmen am Samstagabend fest. Demnach errang die einst als politischer Arm der militanten Organisation IRA geltende Partei mindestens 27 der 90 Sitze in der Northern Ireland Assembly. Sinn Fein löst damit die protestantisch-unionistische DUP als stärkste Kraft ab.
Sinn-Fein-Spitzenkandidatin Michelle O‘Neill steht nun das Recht zu, den Posten der Regierungschefin zu beanspruchen. Für den zum Vereinigten Königreich gehörenden Landesteil ist das ein historisches Ergebnis. Erstmals könnte eine Politikerin an der Spitze der Regierung stehen, die sich für die Loslösung von London und die Vereinigung mit der Republik Irland ausspricht. Bisher hatten stets Parteien den Regierungschef gestellt, die eine Beibehaltung der Union mit Großbritannien befürworten.
„Heute beginnt eine neue Ära“
Sinn-Fein-Spitzenkandidatin Michelle O‘Neill hatte sich bereits am Nachmittag im Blitzlichtgewitter und zu tosendem Applaus ihrer Parteifreunde bei der Verkündung der Ergebnisse in ihrem Wahlkreis Mid Ulster feiern lassen. „Heute ist ein sehr bedeutsamer Tag des Wandels“, sagte O‘Neill in einer Ansprache. Sie fügte hinzu: „Heute beginnt eine neue Ära, die uns allen die Möglichkeit gibt, Beziehungen in der Gesellschaft neu zu definieren auf der Grundlage von Fairness, Gleichbehandlung sowie von sozialer Gerechtigkeit unabhängig vom sozialen Hintergrund.“
O‘Neill rief die anderen Parteien zur Kooperation auf, um eine Regierung zu bilden. Dem als Karfreitagsabkommen bekannten Friedensschluss von 1998 zufolge müssen sich die jeweils größten Parteien aus beiden konfessionellen Lagern in der ehemaligen Bürgerkriegsregion auf eine Zusammenarbeit in einer Einheitsregierung einigen. Eine Regierungsbildung könnte aber am Widerstand der protestantisch-unionistischen DUP (Democratic Unionist Party) scheitern. Die Partei kündigte bereits an, einer Regierung aus Protest gegen den Brexit-Sonderstatus von Nordirland nicht beitreten zu wollen.
Neuer Brexit-Streit droht
Die DUP erhöhte den Druck auf den britischen Premierminister, den Brexit-Vertrag zu brechen. „Boris Johnson hat jetzt die Wahl: entweder das Karfreitagsabkommen oder das Nordirland-Protokoll“, sagte der frühere DUP-Fraktionschef im britischen Parlament, Nigel Dodds, der Deutschen Presse-Agentur am Samstag. Sollte Johnson das Protokoll nicht aufkündigen, werde sich seine Partei nicht an einer Einheitsregierung beteiligen, so Dodds weiter.
Das Nordirland-Protokoll des Brexit-Vertrags sieht einen Sonderstatus für die Provinz vor, um Kontrollen an der Grenze zum EU-Mitglied Republik Irland zu vermeiden. Dafür müssen nun aber Waren kontrolliert werden, wenn sie von England, Schottland oder Wales nach Nordirland gebracht werden. Die DUP befürchtet, das könnte der erste Schritt zu einer Loslösung Nordirlands von Großbritannien sein.
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